Interview (v.l.n.r.:) Stefan Janoch, Betriebsleiter Mensa Musikhochschule, und Bernd Schlieker, stellvertretender Abteilungsleiter Hochschulgastronomie
Manchmal reicht bereits eine Abweichung von zwei Grad für eine Reklamation
Bernd Schlieker und Stefan Janoch unterhielten sich vor den Kühlräumen der Mensa Zülpicher Straße über modernste Warenwirtschaft und digitale Hygienekonzepte.
Interview: Cornelia Gerecke | Text: Matthias Klegraf | Fotos: Steve Brookland
Während der Otto Normalverbraucher gern kurzerhand an seiner Milch riecht und damit prüft, ob sie noch in Ordnung ist, gelten für die Mensen und deren Lebensmittel völlig andere Maßstäbe an Sicherheit und Hygiene. Hier wird unentwegt gemessen, beobachtet und dokumentiert, damit ausschließlich unbedenkliche Artikel den Weg auf die Teller der Studierenden finden.
Am Standort der Musikhochschule haben Sie mit ausschließlich Musikstudierenden eine sehr klare Zielgruppe. Richten Sie Ihr Mensa-Angebot speziell auf Musiker*innen aus?
Janoch: An der Hochschule für Musik und Tanz studieren viele internationale Studierende. Unsere Gäste sind multikulti. So verhält es sich auch mit dem Essen. Wir können im Prinzip alles anbieten, was wir möchten.
Schlieker: Interessant ist aber, dass die Studierenden hier lieber Getränke ohne Kohlensäure trinken. So schonen die Sänger und Sängerinnen ihre Stimmen, denn der Ton muss stimmen.
Janoch: Wir kochen hier viel weniger mit Knoblauch oder Paprika, weil das nicht so gut verdaulich ist. Wenn die Studierenden gemeinsam singen oder musizieren, soll sich schließlich jeder wohlfühlen. Das Essen muss für die Stimme bekömmlich sein … – und für das Miteinander!
Also zählen Schnitzel und Pommes hier nicht zu den Lieblingsgerichten?
Janoch: Man glaubt es kaum, aber auch in unserer Mensa werden Schnitzel mit Pommes am liebsten gegessen. Aber natürlich auch die modernen Streetfood-Trends wie Wraps oder Burger.
Schlieker: Ich merke ebenfalls, dass vegetarische und vegane Gerichte immer beliebter werden. Herr Janoch probiert hier mit seiner Crew gerne neue Eigenkreationen aus. Beliebt sind zum Beispiel unsere bunten Gemüsepfannen mit frischen Kartoffeln, Bulgur oder Superfoods wie Quinoa. An unserem neuen Salatbüfett ist für Vegetarier und Veganer immer etwas Leckeres dabei.
Im Vergleich zur Mensa Zülpicher Straße gehört diese Mensa im Kölner Studierendenwerk eher zur Kategorie Mini-Mensa. Was macht die Arbeit hier besonders?
Schlieker: Hier gibt es mittags nicht den großen Ansturm, wie man es aus anderen Mensen kennt. An der Hochschule für Musik und Tanz gibt es nämlich keinen Hörsaal für 400 Studierende.
Janoch: Voll wird es bei uns nur, wenn die Studierenden nach Orchester- und Chorproben zusammen in die Mensa gehen. Das sind dann vielleicht 100 bis 120 Personen auf einmal. Darüber können andere Mensaleiter nur lachen.
Wir haben hier aber die Möglichkeit, individueller zu kochen. Und das gefällt mir. Ich habe selber mal in der Mensa Zülpicher Straße – damals hieß sie noch Zentralmensa – gearbeitet, und da müssen gerne mal 300 Liter Soße abgeschmeckt werden, nicht 20 Liter.
Haben Sie bei der Zusammenstellung des Speiseplans freie Hand oder gibt es bestimmte Vorgaben?
Janoch: Grundsätzlich gibt es in der Hochschulgastronomie einen Sechs-Wochen-Speiseplan mit standardisierten Gerichten, aus dem ich jeden Tag ein Gericht auswähle. Das zweite Tagesgericht kann ich selber planen. Wichtig ist, dass immer ein Gericht für Vegetarier oder Veganer dabei ist.
Sie und Ihr Küchenteam werden also gerne mal kreativ?
Janoch: Ich habe in den letzten Jahren oft mit sehr kreativen und jungen Köchen zusammengearbeitet. Die probieren gerne neue Rezepte aus. Solange die technisch für uns umsetzbar sind und natürlich gut schmecken, freue ich mich immer über frische Ideen.
Apropos Frische: Woher beziehen Sie Ihre Ware? Sie können schließlich nicht jeden Morgen auf dem Markt einkaufen.
Janoch: Wir haben ein ausgewähltes Sortiment an Produkten – bevorzugt regional und saisonal –, die wir für unsere Gerichte nutzen dürfen, und die werden über den zentralen Food-Einkäufer des Werks, Gerhard Gatz, beim Großhandel bestellt. Als ich vor 19 Jahren beim Kölner Studierendenwerk angefangen habe, konnte man noch bei einzelnen Händlern anrufen und 20 kg Kartoffeln bestellen. Das ist heute anders. Es gibt Vorgaben, von welchem Lieferanten wir unseren Salat beziehen oder von welcher Marke die Schnitzel sein müssen.
Schlieker: Das dient der Qualitätssicherung. Die Gerichte in der Mensa Musikhochschule sollen schließlich dieselbe Qualität haben wie in der Mensa Deutz oder an der Sporthochschule.
Wie läuft denn so eine Bestellung ab? Schicken Sie ein Fax an einen Händler?
Janoch: Nein, wir haben Gott sei Dank ein modernes Warenbestellsystem. Wenn ich geschnittenen Salat brauche, dann bekomme ich den von einer anderen Firma als beispielsweise unsere Tiefkühlware. Das kann man ganz einfach direkt bestimmen.
Schlieker: Einige Artikel gibt auch der Speiseplan genau vor – die werden dann meistens beim gleichen Lieferanten bestellt.
Bestellen Sie immer bedarfsgerechte, kleine Mengen oder legen Sie sich von manchen Artikeln größere Vorräte an?
Janoch: Nein, das wäre auch gar nicht im Sinn der Sache. Warum sollte ich mir Lebensmittel auf Lager legen? Das bündelt doch nur Geld und birgt zudem die Gefahr, dass es verdirbt und weggeworfen werden müsste. Nein, das sollen schon die Lieferanten lagern und nicht wir.
Schlieker: Nach Eingang aller Bedarfsmeldungen – der sogenannten BM – versucht Herr Gatz vom Einkauf aber gezielt, große Mengen gebündelt zu bestellen. Zum Beispiel für Standardgerichte.
Janoch: Die Lieferanten werden immer im Vorfeld über den Sechs-Wochen-Standard-Speiseplan informiert. Denn wenn wir in unseren Mensen von mehreren tausend Portionen eines Gerichts ausgehen, sollten die Lieferanten schon wissen, dass sie beispielsweise mehrere Tonnen Schnitzel auf den Punkt im Kühlhaus auf Lager haben müssen.
Wie können Sie bei solchen Mengen denn eigentlich sicherstellen, dass die Produkte in Ordnung sind?
Janoch: Da müssen wir uns auf den Handel verlassen. Zudem haben wir aber darüber hinaus ein umfangreiches Hygienekonzept namens HACCP . Es sichert während der gesamten Produktionsstrecke – also vom Erzeuger bis letztendlich zur Ausgabe an unserer Theke – eine sehr hohe Qualität. Trotzdem kontrollieren wir die Ware natürlich bei der Anlieferung – bei einigen Artikeln so intensiv, dass wir die Temperatur des Lebensmittels messen.
Wie muss ich mir das vorstellen: Sie nehmen ein Thermometer und spießen es in die Paprika?
Janoch: Tatsächlich gibt es so ein Thermometer mit einer kleinen Nadel. Die wird dann bei der Warenannahme in die Ware gesteckt und zeigt uns nach wenigen Sekunden die exakte Temperatur an. Wenn das Produkt auch nur etwas zu warm ist, wird es reklamiert und zurückgeschickt. Da sind wir sehr streng, manchmal reicht eine Abweichung von zwei Grad für eine Reklamation.
Schlieker: Zum Glück passiert das aber nur sehr selten. Manchmal fällt ein Grund für eine Reklamation aber auch erst später auf. Ich erinnere mich an eine Lieferung Nussecken, bei der wir erst beim Öffnen aller Kartons festgestellt haben, dass die Ecken ausnahmslos in mehrere Teile zerbrochen waren.
Ich hätte die Nussecken auch so gegessen – aber zurück zum Hygienekonzept: Wie genau wird das umgesetzt? Laufen Ihre Mitarbeiter*innen mit Klemmbrettern durch die Kühlhäuser und dokumentieren die Waren?
Schlieker: Haha, das war einmal. Die Dokumentation unserer Kontrollen war früher wahnsinnig zettelintensiv, wenn man das so sagen kann. Denn jeder Kühlschrank und jedes Lager – und wiederum jedes Produkt darin – müssen erfasst werden.
Wir haben unsere Kontrollen auf eine gänzlich digitale Erfassung umgestellt. Alle Mensen wurden mit iPads ausgestattet, auf denen eine Software die genaue Situation jedes Kühlschranks anzeigt. Die Bistros und Kaffeebars werden folgen.
Janoch: Los geht es immer am Wareneingang. Es gibt für die Tiefkühler mehrere Kontrollpunkte. Wenn die Ware kommt, wird kontrolliert, ob die Temperatur stimmt. Das System fragt dann: „Waren Temperatur und Mindesthaltbarkeitsdatum in Ordnung? Hatte das Produkt irgendwelche Beschädigungen?“ Wenn alles okay ist, drücke ich auf „bestätigen“, dann erscheint ein grüner Haken, und dann ist dieser Wareneingang erledigt.
Schlieker: Man geht also mit dem iPad von einer Kontrollstation zur nächsten, prüft und gibt sein Feedback ein. Die zu kontrollierenden Punkte beinhalten aber auch Kontrollen der zu reinigenden Flächen wie etwa Fußböden und Geräte. Die Software sammelt unsere Hygiene-Anforderungen übersichtlich und transparent in einem digitalen System.
Und das Tolle ist dann eben: Wenn etwas mal nicht in Ordnung war, gibt’s ein rotes Signal und wir müssen handeln. Diese Rückmeldung haben wir früher von unserem Zettelstapel natürlich nicht bekommen.
Wie sieht so ein Wartungs-Hinweis denn genau aus?
Janoch: Das System warnt dann beispielsweise: „Achtung, die Temperatur stimmt nicht. Überprüfen Sie das bitte frühestens in einer Viertelstunde noch einmal.“ Wenn es dann immer noch auf Rot ist, müssen wir aktiv werden. Dann wird die Ware sofort in einen kühleren Bereich umgelagert. Im schlimmsten Fall muss der Artikel verworfen werden. Das kommt Gott sei Dank nur selten vor.
Es ist ja so: Die Kühlschränke haben einen Toleranzbereich, in dem sie arbeiten. Sie entfrosten regelmäßig und für eine kurze Zeit dürfen sie mal minus 16 statt minus 18 Grad haben. Das heißt aber nicht, dass der Inhalt grundsätzlich gefährdet ist. Das muss man dann nach einer Viertelstunde oder nach 20 Minuten nochmal kontrollieren. Wenn sich das wieder eingerenkt hat, dann ist das alles wieder in Ordnung.
Schlieker: Darüber hinaus erfasst das System sogar den Grund, warum etwas fehlerhaft war. Wenn ich also sage: „Die Temperatur war nicht in Ordnung“, kommt automatisch eine Rückfrage: „Warum?“ Das geht bis zur vollständigen Klärung einer Sachlage: Was wurde dann gemacht? Wurde es verworfen? Wurde es reklamiert? Wurde es zurückgegeben? – Das ist wirklich ein gut durchdachtes System – und wenn man es gut pflegt, funktioniert es auch unglaublich gut.
Hygieneerfassung mit dem iPad – dafür braucht man ja eigentlich ein kleines Informatikstudium.
Janoch (lacht): Nein. Wirklich nicht. Wenn ich das geschafft habe, können das andere auch.
Bernd Schlieker ist gelernter Hotelbetriebswirt und feierte letztes Jahr sein 25-jähriges Jubiläum beim Werk. Er ist stellvertretender Abteilungsleiter der Hochschulgastronomie und als Bereichsleiter von zehn Betrieben auch für die Mensa und die Kaffeebar Musikhochschule zuständig. Er ist experimentierfreudig und sein Herz schlägt für die Nachhaltigkeit. Jedes Jahr testet er ein neues nachhaltiges Produkt von einem Gastro-Start-up. Wenn es gut ankommt, wird es in das Standardsortiment aufgenommen.
Stefan Janoch ist ebenfalls ein „alter Hase“: 2021 feiert der gelernte Koch im Werk sein 20-jähriges Jubiläum. Er leitet die Mensa Musikhochschule, die mit 150 Sitzplätzen und 400 bis 450 Essen pro Tag eher zu den „Mini-Mensen“ gehört. Die kreative Kochkunst seines Teams berücksichtigt die Bedürfnisse der jungen Künstler*innen und liebt Herausforderungen: Wenn statt der erwarteten 300 Personen plötzlich das große Orchester mit Chor zusätzlich kommt, müssen sich seine Köche sputen und die Vorbereitungszeit eines ganzen Vormittags in wenige Minuten packen. Darauf ist er zu Recht stolz.