Interview mit Ji-Sun Yeom, Referentin für Kultur und Internationales beim Kölner Studierendenwerk, und Radwan Ghiba, Betreuer internationaler Hochschulgruppen im International Office der Universität zu Köln
Wir bringen ein Stück Heimat nach Köln
Ji-Sun Yeom und Radwan Ghiba im Odeon Kino über Kulturangebote und Infoveranstaltungen zum Aufenthalts- und Arbeitsrecht für internationale Studierende.
Interview: Cornelia Gerecke | Text: Michelle Niehenke | Fotos: Matthias Klegraf
Ji-Sun Yeom und Radwan Ghiba kennen die Herausforderungen für internationale Studierende, wenn sie fern der Heimat in einem anderen Land ihr Studium beginnen. Deshalb initiieren Yeom und Ghiba gemeinsam Projekte, die den kulturellen Austausch und vor allem den Zusammenhalt stärken. Dabei arbeiten sie Hand in Hand und stimmen alle Entscheidungen eng miteinander ab. Denn: Sie sind die Chefs, wenn eine internationale Hochschulgruppe die International Week organisiert. Und wenn abends aus der Mensa arabische Musik ertönt, Studierende in traditionellen asiatischen Gewändern tanzen oder der Duft von türkischen Spezialitäten in der Luft liegt, findet gerade das Highlight – der Länderabend – statt. Manchmal muss das Doppel Yeom/Ghiba auch vermitteln, wenn es unterschiedliche Auffassungen gibt. Aber alle eint ein Ziel: eine erfolgreiche Veranstaltung zu organisieren, mit der alle zufrieden sind.
Ein Auslandssemester oder -studium in Köln ist mit vielen neuen Erfahrungen und Herausforderungen verbunden. Wie erleichtern Sie den internationalen Studierenden den Start in Köln?
Ghiba: Grundsätzlich unterstützen wir die frisch angekommenen internationalen Studierenden vor und während des Studiums bei der Wohnungssuche, beraten zu Behördengängen, geben Tipps zur Jobsuche, beantworten organisatorische Fragen und stellen ihnen die internationalen Hochschulgruppen vor. Damit sie etwas Vertrautes um sich herum haben. Zusätzlich gibt es zahlreiche Angebote von den Hochschulen und dem Kölner Studierendenwerk. Beim Rathausempfang, den das Werk organisiert, sind zum Beispiel auch die internationalen Hochschulgruppen dabei. Und gemeinsam mit Ji-Sun planen wir kulturelle Veranstaltungen, wie eben die International Week.
Was kann man sich unter der International Week vorstellen?
Yeom: Während der International Week stellen die Studierenden aus einer Hochschulgruppe ihr Heimatland vor und bereiten ein buntes Programm mit viel Tanz, Gesang und Musik vor. Bereichsleiter Joachim Gerigk kocht mit seinem Team drei landestypische Gerichte zum Mittagessen in der Mensa und für den Länderabend. Die Studierenden bieten in der Woche auch ruhige Veranstaltungen wie Henna- und Poesie-Abende, Tanzworkshops, Kinofilme oder Kaffeesatzlesen an.
Ghiba: Das Highlight ist immer der Länderabend inklusive Fotoausstellung. Jede Gruppe stellt eine*n Moderator*in, der*die durch den Abend führt und das Land auf der Bühne präsentiert – manchmal mit einem Kahoot-Quiz, bei dem alle Gäste mitmachen, dann folgen traditionelle Tänze, Musik auf typischen Instrumenten, das gemeinsame Essen und zum Schluss wird ein wenig gefeiert und „abgerockt“ – natürlich zur traditionellen Heimatmusik.
Die Organisation der International Week ist sicherlich mit viel Aufwand verbunden, oder?
Yeom: Die Vorbereitungen beginnen mindestens acht Wochen vorher. Beim ersten Vorgespräch merke ich schon, wie die Augen der Studierenden leuchten, was sie alles für Pläne haben und wie nervös sie am Anfang sind, aber ich bemerke auch, wie erleichtert und zufrieden sie nach den Veranstaltungen wirken. Wir entscheiden gemeinsam, welche Ideen ins Programm aufgenommen werden, und dann geht es los. Am meisten begeistert mich die Zusammenarbeit mit den Hochschulgruppen, sie sind einfach so motiviert. Man darf ja nicht vergessen, dass sie auch ihr Studium absolvieren müssen, jobben und andere Verpflichtungen haben. Trotzdem bringen sie die Zeit auf, so eine Woche auf die Beine zu stellen, und stecken viel Herzblut in dieses Projekt.
Gibha: Es ist für die Studierenden eine großartige Möglichkeit, ihre eigene Kultur auf so einer großen Bühne zu präsentieren. Wenn ich sehe, wie stolz die Studierenden danach auf sich sind und wie viel Lust sie auf die weiteren Veranstaltungen haben – das ist eine schöne, eine sehr tolle Sache.
Yeom: Auch, weil in der Woche drei landestypische Gerichte auf dem Speiseplan in der großen Mensa Zülpicher Straße stehen.
Das heißt, die Studierenden geben ihre Rezepte an die Mensa weiter?
Yeom: Ja, allerdings stimme ich die Rezepte mit der Mensaleitung ab. Manchmal können die Gerichte nicht genau so umgesetzt werden, weil spezielle Gewürze fehlen. Aber wir sorgen für eine Auswahl mit verschiedenen Gerichten für Vegetarier und Fleischesser. Das hat bisher immer gut geklappt, weil das Mensateam ebenfalls sehr motiviert ist. Dafür sind wir sehr dankbar. Ohne das Essen würde am Länderabend auch etwas fehlen und für die Studierenden ist es eine Herzensangelegenheit. Denn: Dass es leckeres Essen gibt, hat sich rumgesprochen. Inzwischen gibt es sogar eine kleine Länderabend-Fangemeinde.
Wie viele Personen arbeiten bei den Veranstaltungen im Hintergrund mit?
Yeom: Radwan, ich und die Mitglieder der Hochschulgruppe sind natürlich gesetzt. Am Tag des Länderabends brauchen wir aber zusätzliche Unterstützung für Ton- und Lichttechnik, für die Dekoration, den Bühnen- und Sitzplatzauf- und -abbau sowie das Anrichten und Nachlegen des Mensaessens. Außerdem benötigen wir eine*n Fotografen*in und eine*n Wachfrau*mann, die*der uns hilft, damit alle pünktlich gegen 22:00 Uhr die Mensa wieder verlassen.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und den Hochschulgruppen?
Yeom: Radwan und ich versuchen, offen und transparent mit allen zu kommunizieren. Wir beide sprechen uns immer ab. Wenn alle wissen, was Sache ist, können wir uns gegenseitig unterstützen.
Ghiba: Genau, wir beide wissen immer über alles Bescheid. Und die Zusammenarbeit mit den Hochschulgruppen läuft sehr gut. Bei der arabischen Hochschulgruppe waren zum Beispiel über 20 aktive Mitglieder an den Vorbereitungen der International Week beteiligt. Sie konnten fast alles selber organisieren. Kleine Gruppen brauchen etwas mehr Unterstützung. Da holen wir uns auch schon mal Hilfe von anderen Hochschulgruppen.
Yeom: Natürlich sind wir oder die Mitglieder innerhalb der Gruppe mal unterschiedlicher Meinung. Letztendlich sind aber alle sehr offen und kompromissbereit. Das Ziel, einen tollen Abend auf die Beine zu stellen, verbindet uns. Für mich ist das die Motivation weiterzumachen.
Ist der Länderabend nur für internationale Studierende gedacht oder kann jeder kommen?
Ghiba: Der Länderabend ist offen für alle Studierenden der Kölner Hochschulen. Die Gruppen würden gerne ihre Familien mitbringen, aber die Veranstaltung ist nur für Studierende gedacht. Mittlerweile haben wir aber eine externe Gästeliste, zum Beispiel für Sponsoren oder Kooperationspartner.
Das klingt, als ob die Länderabende immer beliebter werden.
Yeom: Ja, das kann man sagen. Als ich angefangen habe, fand der Länderabend noch im Info-Café-International (ICI) statt. Dort gab es eine kleine Bühne mit Piano und die Stimmung war sehr familiär. Weil die Länderabende nach und nach immer größer wurden, mussten wir umziehen. Zum Glück durften wir in Absprache mit der Mensaleitung in den Speisesaal MG Süd. Hier können wir maximal 199 Gäste unterbringen. So voll war es zuletzt am arabischen Länderabend.
Einige Studierende sprechen mich sogar auf dem Campus oder in der Mensa an und fragen, wann der nächste Länderabend stattfindet. Das ist eine tolle Bestätigung.
Was macht denn einen typischen Länderabend aus?
Ghiba: Meiner Meinung nach ist es das Gesamtpaket. Am Anfang gibt es immer eine Begrüßung mit einer kurzen Vorstellung des Gastgeberlandes. Es werden Fotos gezeigt und Infos zu Land und Leuten präsentiert. So bekommt man ein Gefühl für die Heimat der Hochschulgruppe.
Anschließend gehen wir in den kulturellen Teil des Abends über und unterhalten die Gäste mit traditionellen Tänzen, Livemusik und wechselnden Programmpunkten. Beim aserbaidschanischen Länderabend kam zum Beispiel ein Quiz über die App „Kahoot“ besonders gut an. Mit interessanten Fragen zu Aserbaidschan hat die Gruppe es geschafft, ihre Gäste interaktiv in das Programm einzubeziehen.
Also gibt es immer wieder neue Programmpunkte, die die Studierenden ausprobieren?
Yeom: Ja, genau. In diesem Fall kannten wir die Quiz-App nicht, aber die Studierenden waren überzeugt davon. Da habe ich gemerkt, dass wir davon profitieren, wenn die Studierenden neue Sachen ausprobieren. Das Quiz kam so gut an, dass es direkt von anderen Hochschulgruppen kopiert wurde.
Die International Week ist aus dem Veranstaltungskalender des Kölner Studierendenwerks nicht mehr wegzudenken. Was freut Sie am meisten an diesem Projekt?
Yeom: Am Ende die fröhlichen Gesichter zu sehen, freut mich am meisten. Wir lassen den Länderabend gemeinsam mit der Hochschulgruppe ausklingen und stoßen zusammen an. Das ist ein schöner Abschluss, bei dem wir sofort den Stress der Vorbereitungen vergessen. Die Studierenden sind dann immer sehr dankbar für unsere Hilfe.
Ghiba: Ich finde es auch toll, dass wir einen engen Kontakt zu den Hochschulgruppen aufbauen und dieser über lange Zeit bestehen bleibt.
Sie organisieren aber nicht nur kulturelle Events, richtig?
Yeom: Genau, neben den Internationel Weeks, unserem Sprachenstammtisch Café Babylon, den Schachabenden mit dem Hochschulsport und dem Rathausempfang legen wir auch verstärkt den Fokus auf die Informationsbetreuung der Studierenden. Hier arbeiten wir mit dem Ausländeramt und der Agentur für Arbeit zusammen. Viele wissen zum Beispiel nicht, wie es nach dem Studium weitergeht und wo sie nach Praktika oder Jobs suchen können. Sie haben Hemmungen zum Ausländeramt oder zur Agentur für Arbeit zu gehen. Viele wissen auch nicht, dass es die Agentur für Arbeit überhaupt gibt. Ich glaube, es ist wichtig, den internationalen Studierenden die ersten Schritte zu erleichtern. Nach unseren Veranstaltungen gehen Sie zuversichtlicher an die Jobsuche.
Planen viele internationale Studierende nach dem Studium in Deutschland zu bleiben?
Ghiba: Die meisten internationalen Studierenden möchten nach dem Studium Berufserfahrung in Deutschland sammeln.
Yeom: Je nachdem, welche Fachrichtung sie studieren, ist es aber schwierig, die passende Stelle zu finden. Die Agentur für Arbeit ist dann der richtige Ansprechpartner und vermittelt offene Stellen, auch für Nischen.
Ghiba: Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass die Jobsuche nicht einfach ist. Als ich 2015 nach Stellenangeboten gesucht habe, bin ich in irgendeinem Portal gelandet und habe gar nichts verstanden. Die Sprache war in dem Moment die größte Hürde.
Yeom: In solchen Fällen berät auch das Team der Agentur für Arbeit die Studierenden. Man kann etwa seine Bewerbung zum Infoabend mitbringen und sich vor Ort Tipps und Verbesserungsvorschläge holen. Wir nehmen die internationalen Studierenden an die Hand. Schließlich ist die Jobbewerbung auch für deutsche Studierende eine Herausforderung.
Was können die Studierenden machen, wenn sie nach dem Studium nicht direkt einen Job in Deutschland finden?
Yeom: Das kommt auf den Aufenthaltsstatus an. In diesem Fall sind das Ausländeramt und die Agentur für Arbeit Schnittstellen, mit denen wir bei Infoveranstaltungen zusammenarbeiten. Im Wintersemester bieten wir eine Veranstaltung zum Thema Aufenthaltsrecht an, die besonders für Studierende mit Visum oder geduldete Studierende interessant ist.
Im Sommersemester veranstalten wir neuerdings einen Infoabend mit der Akademiker-Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit. Hier erfahren Studierende alles zum aktuellen Arbeitsmarkt und der Jobsuche. Die Bundesagentur für Arbeit bietet Beratungsgespräche in verschiedenen Sprachen an, gibt auch Bewerbungstrainings und unterstützt bei der Erstellung von Bewerbungen.
Welchen Tipp haben Sie zum Schluss für alle internationalen Studierenden?
Ghiba: Ich kann allen Studierenden, die ein Auslandssemester oder -studium in Köln machen, empfehlen, einer Hochschulgruppe beizutreten. Hier findet man schnell Anschluss und kann sich untereinander austauschen. Ich selber fand es in meinem ersten Semester sehr beruhigend, dass immer jemand da war, an den ich mich wenden konnte.
Yeom: Dem kann ich nur zustimmen. Auch unsere Länderabende sind eine perfekte Gelegenheit, um in entspannter Atmosphäre Kontakte zu knüpfen. Und bei Fragen oder Schwierigkeiten sind wir vom Kölner Studierendenwerk und den International Offices immer als Ansprechpartner da.
Ji-Sun Yeom arbeitet seit Dezember 2018 als Referentin für Kultur und Internationales beim Kölner Studierendenwerk. Ihr erstes Projekt war der armenische Länderabend – der Startschuss für eine erfolgreiche International-Week-Saison 2019.
Radwan Ghiba ist studentischer Mitarbeiter im International Office der Universität zu Köln und für die Betreuung der internationalen Hochschulgruppen zuständig. Der gebürtige Syrer kam 2014 nach Deutschland und studiert Medien-Kulturwissenschaften und English Studies.