Interview Jörg J. Schmitz, Geschäftsführer Kölner Studierendenwerk
Wer entscheidet für das Werk?
Wir sprachen mit Jörg J. Schmitz im piccolo w über die entscheidenden Wechselwirkungen zwischen DSW , ARGE und Verwaltungsrat.
Fragen: Cornelia Gerecke | Text: Armin Himmelrath | Fotos und Video: Steve Brookland und Matthias Klegraf
Förderrichtlinien des Landes, bundespolitische Beschlüsse, aber auch regionale Wohnheimmieten oder Essenspreise in der Mensa: Unzählige Faktoren entscheiden darüber, wie und mit welchen Mitteln das Kölner Studierendenwerk arbeiten kann. Geschäftsführer Jörg J. Schmitz erklärt, wie langfristige strategische und auch ganz kurzfristige, konkrete Entscheidungen hinter den Kulissen vorbereitet werden.
Jörg J. Schmitz über das Jahr 2019 des Kölner Studierendenwerks
Das Werk ist einerseits selbstständig, andererseits Teil eines landes- und bundesweiten Dachverbands. Welchen Einfluss haben welche Gremien auf die Arbeit in Köln?
Schmitz: Am wichtigsten ist sicher unser eigener Verwaltungsrat (VR), weil er mit der Geschäftsführung zusammen die Geschicke vor Ort bestimmt. Beide verantworten die großen Linien der Weiterentwicklung und des Managements im Studierendenwerk. Sehr wichtig sind aber auch die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) hier in Nordrhein-Westfalen und als deren Pendant der bundesweite Dachverband, das Deutsche Studentenwerk (DSW). Alle drei Ebenen haben starke Wechselwirkungen untereinander – die kann man gar nicht isoliert betrachten.
Haben Sie ein Beispiel für die Wechselwirkungen zwischen DSW, ARGE und VR?
Schmitz: Ja, ganz aktuell – die Überbrückungshilfe für Studierende in der Coronakrise. Achim Meyer auf der Heyde, der DSW-Generalsekretär, hat mit seinem Team Lobbyarbeit im besten Sinn gemacht, hat in den zuständigen Ministerien vorgesprochen und das Hilfspaket mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgehandelt, in enger Abstimmung mit den Studenten- und Studierendenwerken bundesweit – und mit konkreten Auswirkungen für die Studierenden in ganz NRW und hier vor Ort, denn unsere Mitarbeiter*innen bearbeiten diese Anträge. Oder nehmen Sie die Wohnraumförderung, die ja zum Teil auch mit Bundesmitteln stattfindet. Auch da vertritt der Dachverband unsere Interessen vor den Bundesministerien, häufig in enger Wechselwirkung mit der ARGE in NRW und der lokalen Ebene. Ich selbst war vor einiger Zeit bei einem Expertenhearing zur Wohnraumförderung im Bundesbauministerium dabei. Da machen wir – auf allen Ebenen – so etwas wie Politikbegleitung und -beratung. Der andere große Bereich ist die Netzwerkarbeit, die enge Verzahnung der Community aller Studenten- und Studierendenwerke in Deutschland.
Wie schwierig ist die Zusammenarbeit von 57 verschiedenen Einrichtungen?
Schmitz: Sie wird immer wieder neu ausgehandelt, gelingt aber bemerkenswert gut. 2019 haben wir es geschafft, das Deutsche Studentenwerk in einigen Punkten deutlich zu reformieren. Vorausgegangen war der Beschluss, das DSW einer Organisationsüberprüfung zu unterziehen – so etwas ist ja keine Selbstverständlichkeit. Treibende Kraft waren damals die Vertreter*innen der Studierendenwerke in NRW. Und da wir ein sehr konstruktives Verhältnis untereinander, aber auch zur DSW-Geschäftsstelle haben, war das genau der richtige Zeitpunkt, um zu sagen: Jetzt trauen wir uns mal, alles auf links zu drehen, alles mal zu hinterfragen. Ein Beispiel: Der ehrenamtliche Vorstand wurde abgeschafft und durch einen hauptamtlichen Vorstand ersetzt. Übrigens wurde auch vieles im DSW bestätigt, für gut geheißen und nun fortgesetzt.
Wie hat sich durch die Reform die Rolle der Studierenden verändert?
Schmitz: Sie waren vorher ja auch schon in den Gremien vertreten und ich glaube, dass ihr Einfluss gestärkt worden ist. Aber man muss auch sagen: Letztlich sind Studierendenwerke keine Mitgliedsorganisationen der Studierenden, kein verlängerter Arm der ASten, sondern Dienstleistungsorganisationen, die eine große Nähe zur Zielgruppe benötigen. Deshalb sind in den Anstalten des öffentlichen Rechts vor Ort die Studierenden in den Verwaltungsräten auch sehr prominent mit vier von neun Mitgliedern vertreten.
Gab es 2019 so etwas wie ein Schwerpunktthema des DSW?
Schmitz: Strukturell sicher die Verbandsreform, inhaltlich lässt sich das nicht so leicht sagen: Bei über 20 Arbeitskreisen und Ausschüssen alleine auf Bundesebene sind die Themen natürlich ganz vielfältig. Die Mitgliederversammlung hat Beschlüsse zu allen operativen Feldern gefasst: Hochschulgastronomie, Studienfinanzierung, Wohnen, Beratung.
Sind die Routinethemen auf Landesebene, in der ARGE, dieselben?
Schmitz: Im Gegensatz zum DSW als eingetragenem Verein mit eigener Satzung ist die Arbeitsgemeinschaft der Studierendenwerke NRW etwas weniger formalisiert. Es gibt dieselben Ziele, aber eine etwas andere Struktur. Die Studierendenwerke sind ja Landesanstalten des öffentlichen Rechts, insofern ergibt es auch Sinn, einen besonderen Fokus auf die Landesebene zu setzen. Ansprechpartner ist für uns das Ministerium für Kultur und Wissenschaft. Mit diesen in Kontakt zu bleiben, das ist ein wichtiger Teil der Lobbyarbeit – ergänzt durch Netzwerkarbeit untereinander und in Richtung Landespolitik. Jede Partei hat wissenschaftspolitische Sprecherinnen oder Sprecher, es gibt den Wissenschaftsausschuss und den Bauausschuss. Alles das muss die ARGE im Blick halten.
Jörg J. Schmitz spricht über die Überbrückungshilfe 2020
Welche Themen beschäftigen die Arbeitsgruppen in der ARGE momentan?
Schmitz: Natürlich die operativen Bereiche Beratung, Hochschulgastronomie, Studienfinanzierung, Wohnen und Bauen. Aber beispielsweise auch die Frage: Ist es eigentlich langfristig klug, den Datenschutz durch interne Datenschutzbeauftragte zu organisieren, obwohl wir ja alle die gleiche Rechtsform und die gleiche Zielgruppe haben? Für uns ist Datenschutz ein Riesenthema, gerade bei den BAföG-Ämtern. Und deshalb haben wir dort schon seit Jahren eine zentrale Datenschutzbeauftragte. Diese Projektgruppe hat also ein Modell entwickelt, mit dem auch in den anderen Bereichen ein landesweiter Datenschutzbeauftragter aufgebaut werden kann. Wir erhoffen uns dadurch mehr Einheitlichkeit, mehr Effizienz und mehr Fachlichkeit.
Um Einheitlichkeit zu erreichen, schauen Sie sich da gegenseitig etwas ab?
Schmitz: Natürlich sind wir für gute Lösungen und Ideen immer offen! So erlebe ich auch unsere Abteilungsleiterinnen und -leiter. Nehmen Sie zum Beispiel die Hochschulgastronomie. Ein enorm wichtiges Thema sind da Bezahlsysteme. Wir sind in Köln mit einem Partner unterwegs, der mit den Hochschulen ein relativ einheitliches Kartensystem organisiert. Es hat viele Vorteile für uns, dass es eine einheitliche Karte an allen Hochschulen gibt. Aber diese Einheitlichkeit bröckelt, und es sind neue Bezahlsysteme entstanden. Deshalb war ich ganz beeindruckt, dass die Kollegen in Bochum sich mit den Hochschulen auf den Weg gemacht haben und sagen: Bei uns kann man mit allem – bargeldlos – zahlen: mit PayPal, ApplePay, Kreditkarte, EC-Karte etc. Und trotzdem sorgen wir dafür, dass die bevorzugten Personengruppen – Studierende und Bedienstete – auch ihren Vorzugspreis bekommen, obwohl das Bezahlsystem variabel ist. Dies interessiert uns sehr und wir nehmen solche Ideen auf.
Was war 2019 das wichtigste politische Thema der ARGE?
Schmitz: Die Finanzen. Wir sind als Anstalten des öffentlichen Rechts mit dem Land sehr eng verbunden. Gleichzeitig kämpfen wir seit langem um eine Erhöhung und eine dynamische Verstetigung des Landeszuschusses. Der Zuschuss ist statisch, und bei steigenden Personalkosten und Aufwendungen ist das natürlich langfristig fatal. Wir brauchen daher einen mitwachsenden Landeszuschuss, eine automatische Erweiterung im Verhältnis zu den Gehaltssteigerungen. Das gibt es bei den Studierendenwerken bisher nicht, deshalb setzen wir uns beim Ministerium und in der Politik dafür ein.
Läuft diese Lobbyarbeit – Sie nannten es vorhin Politikbegleitung – stark anlassbezogen?
Schmitz: Punktuell ja, aber viel wichtiger ist die Kontinuität. Wir haben beispielsweise das Landesbauministerium unterstützt bei der Weiterentwicklung der Förderrichtlinien für den studentischen Wohnheimbau. Wir rauschen da nicht rein, stellen eine Forderung und sind wieder weg, sondern stehen im ständigen Austausch und pflegen eine von starker Sachorientierung geprägte Beziehung. Auf so einer Basis entstehen dann auch Ideen wie der Runde Tisch Wohnen. Das war eine Initiative des zuständigen Staatssekretärs Dr. Heinisch im Landesbauministerium. Die ARGE hat das unterstützt. Und vier Studierendenwerke, unter anderem das Kölner Werk, waren dann Austragungsort eines jeweils lokalen Gipfeltreffens von Hochschulleitungen, Kommunalvertretern und des Landesbauministeriums.
Und was hat der Runde Tisch Wohnen gebracht?
Schmitz: Vor allem, dass wir an mehreren Standorten für Wohnheime deutlich weiter sind als noch vor dem Gipfeltreffen in Köln. An der Otto-Fischer-Straße zum Beispiel haben wir das Signal bekommen, dass die Universität, die dem vorher kritisch gegenüberstand, jetzt der Erweiterung zustimmt. Außerdem haben wir mit der Stadt die Erweiterung des Wohnheims in der Franz-Marc-Straße vereinbart. In diesem thematischen Umfeld hat das Land außerdem in den neuen Förderrichtlinien erstmals auch die Sanierungskosten von Wohnheimen als förderungswürdig aufgenommen. Das hat für uns ganz konkrete Auswirkungen: Wir werden den sogenannten Wohnturm – unser Wohnheim an der Deutschen Sporthochschule Köln – ganz maßgeblich über diesen Fördertopf sanieren können. Die Gesamtmaßnahme kostet rund 20 Millionen Euro, und wir gehen davon aus, dass mindestens die Hälfte als Darlehen des Landes Nordrhein-Westfalen kommt und uns davon eine erkleckliche Summe der Tilgung nachgelassen wird – also wirklich eine maßgebliche finanzielle Unterstützung durch das Land.
Ganz am Anfang haben Sie gesagt: Am wichtigsten ist der Verwaltungsrat …
Schmitz: Ja, der ist elementar, weil er als unabhängiges Gremium für die großen, strategischen Linien zuständig ist und die Geschäftsführung beaufsichtigt. Er besteht ja aus vier Studierenden, zwei Bediensteten, zwei Vertretern aus den Hochschulleitungen und einer neutralen Person. Es geht hier nicht darum, dass die Studierenden oder andere Gruppen ihre eigenen Interessen vertreten, sondern sie sind da, um für das Studierendenwerk das Bestmögliche zu entscheiden. Und das tun sie auch sehr verantwortungsvoll.
Welches ist die wichtigste Entscheidung im Jahr, die der Verwaltungsrat trifft?
Schmitz: Aus meiner Sicht, ganz generell: der Wirtschaftsplan, weil wir damit die nächste Zukunftsphase gestalten. Einer der wichtigsten konkreten Beschlüsse für die Zukunft des Werks war 2019 sicherlich die Entscheidung für das Servicehaus. Wir sind ja im Moment in der unsäglichen Situation, dass unsere Bediensteten auf alle möglichen Gebäude im Stadtteil Sülz verteilt sind. Das ist nicht nur eine missliche Situation für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch für die Studierenden, dass es keine zentrale Adresse der Organisation gibt, die für die soziale Infrastruktur am Hochschulstandort verantwortlich ist. Und diese eine Adresse für die Kölner Studierenden wollen wir schaffen, indem wir auf dem derzeitigen Unicenter-Parkplatz ein neues Servicehaus errichten – mit mehr Begegnungsräumen und kurzen Wegen bei der Beratung. Ein weiterer Meilenstein war der städtebauliche Vertrag zwischen der Stadt Hürth und dem Studierendenwerk. Damit haben wir die Grundlage gelegt, das Studierendendorf in Efferen weiter auszubauen und mehr Wohnheimplätze für Studierende zu schaffen. Das sind alles zeitgemäße und notwendige Schritte nach vorn.
Wäre, ganz generell, ein einheitlicheres Auftreten der Studenten- und Studierendenwerke sinnvoll, zumindest in NRW? Zum Beispiel mit gleichem Logo und gleichem Corporate Design?
Schmitz: Eines für alle würde, da bin ich mir sicher, den Studierendenwerken insgesamt mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Wir haben das natürlich diskutiert. Aber rein rechtlich ist jedes Studierendenwerk selbstständig. Und ein neues Corporate Design ist in aller Regel sogar Thema bis in die Verwaltungsräte hinein. Das heißt, das lokale Studierendenwerk wäre gar nicht an eine Absprache der Arbeitsgemeinschaft gebunden. Man hätte erst in allen zwölf Einrichtungen eine entsprechende Empfehlung ratifizieren müssen. Dass alle anderen NRW-Studierendenwerke unser tolles Kölner Logo mit dem W für „Werk“ übernehmen – diesen einfachen Weg gab und gibt es leider nicht. Aber natürlich hat auch die Arbeitsgemeinschaft der Studierendenwerke schon seit langem ein eigenes Logo, was kürzlich auch modernisiert wurde.
Jörg J. Schmitz ist seit Januar 2014 Geschäftsführer des Kölner Studierendenwerks. Seine Grundkondition hat er sich durch viele Rennrad-Kilometer aufgebaut und viele Bahnkilometer steckt er in den wichtigen Austausch und die Zusammenarbeit mit dem in Berlin sitzenden Deutschen Studentenwerk (DSW), der Arbeitsgemeinschaft der Geschäftsführer NRW (ARGE) und seinem Kölner Verwaltungsrat – schließlich ist der Geschäftsführer eines Studierendenwerks kein Alleinherrscher.