Interview (v.l.n.r.) Christoph Bravidor, Abteilungsleiter Studienfinanzierung, und Santino Calanni, stellv. Abteilungsleiter Studienfinanzierung

Auf dem Weg zur wasserdichten E-Akte

Christoph Bravidor   und Santino Calanni haben unter anderem darüber gesprochen, mit welchen digitalen Projekten sich die Abteilung Studienfinanzierung für die Zukunft aufstellt.

Interview: Cornelia Gerecke | Text: Michelle Niehenke | Fotos: Martina Goyert

Nach dem herausfordernden Jahr 2020 ist die Studienfinanzierung gut vorbereitet in 2021 gestartet. Neue Arbeitsmodelle wie das Homeoffice haben sich langfristig etabliert und die Digitalisierung wurde weiter vorangetrieben. Warum dies mit Blick auf das Aktenarchiv im Studierendendorf Hürth-Efferen eine neue Dringlichkeitsstufe erreicht hat, erzählen Christoph Bravidor und Santino Calanni im Interview.

Herr Calanni, welches Ereignis fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie an das Jahr 2021 zurückdenken?

Calanni: Das große Unwetter im Juli, von dem weite Teile Deutschlands und unser Archiv betroffen waren. Denn die Kellerräume in der Hahnenstraße 9 und 27, die zum Studierendendorf Hürth-Efferen gehören, sind bis zu 40 Zentimetern mit Wasser vollgelaufen. Leider haben dabei sehr viele Akten Schaden genommen. Das stellte uns zum einen vor die Herausforderung, neue Archivräume für die dauerhafte Lagerung zu finden, und zum anderen die nicht beschädigten Akten schnellstmöglich auszusortieren und umzulagern. Dieser Prozess hat sich bis ins Jahr 2022 gezogen und ist immer noch nicht abgeschlossen. 

 

Um welche Akten handelt es sich dabei?

Calanni: Das sind Förderungsakten, die aufgrund der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist nach Abschluss der Förderung von uns aufbewahrt werden müssen. Es kann nämlich immer wieder sein, dass entweder das Bundesverwaltungsamt oder andere Ämter diese Akten benötigen, zum Beispiel wenn Studierende den Studienort wechseln.

 

Der organisatorische Aufwand nach dem Hochwasser war sicherlich enorm, oder?

Calanni: Ja, denn aktuell besteht unser Archiv aus knapp 30.000 Akten. Allein neue Räumlichkeiten zu finden, in denen wir alles unterbringen können, war schwierig. Zum Glück haben wir Unterstützung aus der Hochschulgastronomie erhalten und konnten das neue Archiv in der Mensa Zülpicher Straße aufbauen. Als das feststand, haben wir schnellstmöglich versucht, die intakten Akten sortiert zu transportieren, damit die Grundordnung beibehalten wird. Am neuen Standort müssen die Akten schließlich wieder auffindbar sein.

„Da das Pilotprojekt mit großem Erfolg abgeschlossen wurde `{`...`}`, wird die gesamte Abteilung Studienfinanzierung die E-Akte einführen.“
Christoph Bravidor

Seit 2019 läuft aber bereits das Pilotprojekt E-Akte, also die elektronische Akte, die absolut wasserdicht wäre. 

Calanni: Genau, in der Außenstelle in Gummersbach wurde die E-Akte 2021 in den Echtbetrieb aufgenommen. 

Bravidor: Da das Pilotprojekt mit großem Erfolg abgeschlossen wurde, die Mitarbeitenden in Gummersbach also sehr gut damit arbeiten können, wird die gesamte Abteilung Studienfinanzierung die E-Akte einführen.

 

Was sind die Vorteile der E-Akte?

Bravidor: Die Inhalte der analog geführten Akten stehen in der E-Akte komplett digital zur Verfügung. Das erleichtert vor allem die Arbeit im Homeoffice. Denn die E-Akte ist einfach für alle Mitarbeitenden jederzeit und überall abrufbar. Außerdem gibt es eine inhaltliche Suchfunktion, sodass Mitarbeitende schnell zwischen einzelnen Seiten hin- und herspringen können, um relevante Informationen zu finden. Davon erhoffen wir uns eine große Effizienzsteigerung.

 

Ja, und eine große Papierersparnis.

Bravidor: Genau, der Nachhaltigkeitsaspekt kommt noch dazu. Ich bin fest davon überzeugt, dass die elektronische Akte einer von vielen Schritten in Richtung Digitalisierung ist, die uns in Zukunft begleiten. Ich hoffe einfach, dass es Synergieeffekte gibt, die uns das Arbeiten erleichtern und wir den Ansprüchen der Zeit gerecht werden.

„Zum Glück haben wir Unterstützung aus der Hochschulgastronomie erhalten und konnten das neue Archiv in der Mensa Zülpicher Straße aufbauen.“
Santino Calanni

Gibt es denn schon weitere digitale Projekte, die Sie trotz oder sogar aufgrund der Pandemie antreiben konnten?

Bravidor: Wir bereiten die Einführung eines digitalen Terminplanungs-Tools vor. Dieses soll den Studierenden ermöglichen, Beratungstermine einfach online mit uns zu koordinieren. Sie können konkrete Termine vorschlagen und angeben, ob es ein Telefongespräch, ein Videoanruf oder ein persönliches Gespräch vor Ort sein soll. Bei uns intern werden die Informationen kanalisiert, sodass die Sachbearbeitenden sich bestmöglich auf die Studierenden vorbereiten können und die Termine möglichst konstruktiv und effektiv verlaufen. 

Calanni: 2020 und 2021 haben wir auch gemerkt, dass die flexible Beratung per Telefon und E-Mail bei den Studierenden besser ankommt. Zwar konnten wir mit viel Aufwand im Sommer wieder Sprechstunden vor Ort anbieten – coronakonform mit Hygiene- und Abstandsregeln –, aber hatten nur drei Terminanfragen. Das zeigt, dass wir wirklich selten in persönlichen Face-to-Face-Gesprächen vor Ort beraten müssen und dass die Sprechstunden, wie sie vor der Pandemie angeboten wurden, nicht mehr zeitgemäß sind. 

Bravidor: An diesen flexibleren und individuellen Sprechzeiten möchten wir festhalten. Zum einen, um den Studierenden eine größere Vielfalt zu bieten, uns zu erreichen und eine zeitlich individuell vereinbarte Beratung zu gewährleisten. Auf der anderen Seite können wir so flexible Arbeitszeiten für die Mitarbeitenden und die Arbeit im Homeoffice ermöglichen.

„2021 kam es zu unserer Freude tatsächlich zu einem plötzlichen Anstieg der BAföG-Antragszahlen um 6,71 Prozent.“
Christoph Bravidor

Auf die internen Digitalisierungsprozesse, die Sprechzeiten und die Arbeitsbedingungen hat sich die Pandemie also sehr positiv ausgewirkt. Wie sieht es mit den BAföG-Anträgen aus?

Bravidor: Die BAföG-Anträge waren zwischen 2014 und 2020 leicht aber leider konstant rückläufig – obwohl die Studierendenzahlen stetig angestiegen sind. 2021 kam es zu unserer Freude tatsächlich zu einem plötzlichen Anstieg der Antragszahlen um 6,71 Prozent. Auch hier sind die Studierendenzahlen im Vergleich gegenläufig, denn sie sind um 3,16 Prozent zurückgegangen. Also in doppelter Hinsicht eine Steigerung der Anträge. 

 

Womit hängt diese Entwicklung zusammen?

Bravidor: Dafür gibt es mehrere, vor allem coronabedingte Gründe: Viele Studierende haben ihre Nebenjobs in der Pandemie verloren oder konnten von der Familie aufgrund des Kurzarbeitergeldes nicht mehr unterstützt werden. Außerdem wurde die Regelstudienzeit verlängert, sodass wir viele Studierende länger als unter normalen Bedingungen fördern konnten. 

Calanni: Gefühlt war fast jeder BAföG-Antrag kombiniert mit einem Antrag auf Verlängerung der Förderungshöchstdauer. Wenn man bedenkt, dass wir im Jahr um die 14.000 Anträge bearbeiten, dann potenzieren sich die Anträge natürlich entsprechend.

Bravidor: Das ist mit Ausblick auf das Jahr 2022 besonders spannend, da eine neue BAföG-Reform beschlossen wurde. Die sieht unter anderem höhere Freibetragsgrenzen und eine Anhebung der  Förderungsfähigkeit von Studierenden bis zum 45. Lebensjahr vor. 

Calanni: Dadurch haben wir eine echte Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises. Daher rechnen wir mit einem weiteren Anstieg der Antragszahlen, der sich spätestens zum Wintersemester 2023 zeigen müsste.

Bravidor: Die Höhe der Förderung bleibt natürlich ein Dauer-Dilemma. Vollkommen klar: Wir als BAföG-Ämter würden es natürlich begrüßen, wenn es regelmäßig eine konstante Anpassung gibt. Die BAföG-Sätze sollen jetzt um 5,75 Prozent erhöht werden. Das wird die aktuelle Inflation nicht komplett kompensieren, aber das kann sie zumindest abfedern. 

„2020 und 2021 haben wir gemerkt, dass die flexible Beratung per Telefon und E-Mail bei den Studierenden besser ankommt.“
Santino Calanni

Wenn Sie bezüglich des BAföG einen Wunsch frei hätten, was wünschen Sie sich für die Studierenden? 

Bravidor: Grundsätzlich wäre eine Vereinfachung des BAföG-Antragsverfahrens sehr zielführend – noch nicht einmal hinsichtlich der Zahl der Formblätter, sondern hinsichtlich der Anforderungen des Gesetzgebers, die z.B. unsere Zusammenarbeit mit den Finanzämtern betreffen oder die Berechnung der Härtefreibeiträge. Manche Anforderungen sollten schlicht und ergreifend wegfallen. Da hoffen wir, dass die übernächste BAföG-Novelle eine Erleichterung und Entbürokratisierung bringt. 

 

Und haben Sie zum Schluss noch einen Wunsch für das Werk zum 100. Geburtstag 2022?

Bravidor: Ja, im Wesentlichen, dass es dem Kölner Studierendenwerk weiter gelingt, mit so viel Enthusiasmus für die Studierenden einzutreten. Und viele Mitarbeitende, die dieselbe Leidenschaft teilen und ihren Beitrag dafür leisten.

Calanni: Und das mindestens für die nächsten 100 Jahre.

Christoph Bravidor ist seit Mai 2022 Abteilungsleiter der Studienfinanzierung. Zuvor hat er beim Studierendenwerk Aachen als Jurist ebenfalls in der Abteilung für Studienfinanzierung gearbeitet und brennt für das BAföG. Denn: Es schafft Chancen und verkleinert soziale Ungleichheiten. Herausforderungen und ambitionierte Ziele bewältigt er gerne gemeinsam im Team. Körperlich und geistig fit hält der Vater von drei Kindern sich mit Laufen, Kochen, einem guten Spiel und swingendem Jazz.

Santino Calanni ist stellvertretender Leiter der Studienfinanzierung und arbeitet seit seiner Ausbildung zum Bürokaufmann, die am 1. November 1997 startete, im Werk. Sein selbstgewählter Arbeitsschwerpunkt: die Digitalisierung. Er leitet ein Projektteam, das die elektronische BAföG-Akte – kurz E-Akte – entwickelt.

0
Geförderte Studierende

 -0,67%* (14.551**)

0
Bearbeitete BAföG-Anträge

+6,71%* (14.494**)

0
Wiederholungsanträge

 +8,4%* (8.841**)

0
Erstanträge

-3,16%* (4.336**)

0
Durchschnittliche Auszahlungssumme

-13,71%* (525€**)

0
Mio. €
Auszahlungssumme

+5,02%* (74,8 Mio. €**)

* prozentuale Abweichung im Vergleich zu 2020
** 2020