Interview Jörg J. Schmitz, Geschäftsführer Kölner Studierendenwerk
Kölner Studierende lernen und leben über dem Durchschnitt
Das Kamera- und Interviewteam traf Geschäftsführer Jörg J. Schmitz , wo er sich – außerhalb von Laufschuhen und Rennradsattel – in seinem Arbeitsleben am wohlsten fühlt: in seinem Büro. Wir wollten wissen, ob und wie sich die Kölner Studierenden vom Bundesdurchschnitt unterscheiden.
Fragen: Cornelia Gerecke | Text: Regina Brinkmann | Fotos und Video: SEVN Agentur
Wer Studierenden passgenauen Service bieten will, muss wissen, wie sie ticken: Wo und vor allem von was leben sie? Welche Beratung brauchen sie, wenn das Studium plötzlich nicht mehr finanzierbar ist oder wenn es psychische Probleme gibt? Um darüber verlässliche Informationen zu bekommen, beteiligt sich das Kölner Studierendenwerk regelmäßig an der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. Die 21. Befragung dieser Art wurde im Sommersemester 2016 erstmals online durchgeführt und zeigt, dass sich die Kölner Studierenden in vielen Bereichen vom Bundesdurchschnitt abheben.
Was hat sich durch die Online-Befragung der Studierenden verbessert?
Schmitz: Wir hatten viermal mehr Teilnehmer*innen als bei früheren Befragungen. Dieses Mal konnten knapp 2.000 Fragebögen ausgewertet werden. Bei der letzten Erhebung waren es nur rund 480. Je größer der Rücklauf bei einer Befragung, desto belastbarer, ausdifferenzierter ist letztlich das Ergebnis. Auch deshalb sind wir sehr zufrieden mit dem neuen Online-Format.
Eine wichtige Voraussetzung für das Studium ist das Geld – also das monatliche Budget. Wie sieht die finanzielle Situation der Kölner Studierenden aus?
Schmitz: Mit 995 Euro liegt das Einkommen der Kölner Studierenden deutlich über dem NRW-Durchschnitt von 944 Euro und dem Durchschnitt in ganz Deutschland von 918 Euro. Den Kölner Studierenden steht also relativ viel Geld zur Verfügung. Auf der anderen Seite haben sie aber sehr hohe Ausgaben für Mieten.
Wie kommt es zu diesem hohen Einkommen?
Schmitz: Ein hoher Anteil der Studierenden geht jobben. So kommt ihr vermeintlich hohes Einkommen zusammen. Für uns ist es aber wirklich rätselhaft und gleichzeitig eine Handlungsaufforderung, dass immer weniger Studierende versuchen, ihre Lebenshaltungskosten mit BAföG zu bestreiten. In diesem Bereich sind die Zahlen deutlich zurückgegangen.
Wie verbreitet ist denn das Heinzelmännchen-Gen bei den Kölner Studierenden – also, wie viele gehen regelmäßig neben dem Studium jobben?
Schmitz: Die Quote derjenigen, die sich nebenbei noch mit Jobs über Wasser halten, liegt bei 79 % und damit 10 % über dem Bundesdurchschnitt.
Sie hatten die Mietkosten bereits angesprochen. Liegen die für Kölner Studierende ebenfalls über dem Bundesdurchschnitt?
Schmitz: Leider ja. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt zahlen Studierende monatlich 323 Euro an Miete. In Köln sind es durchschnittlich 366 Euro und damit deutlich mehr. Wir fragen uns natürlich, was wir – als Kölner Studierendenwerk – dagegen tun können. Um es auf eine einfache Formel zu bringen: Wir müssen Wohnraum schaffen, der möglichst günstig ist, damit auch Studierende mit geringem Einnahmebudget klarkommen.
Das Kölner Studierendenwerk hat aktuell rund 5.000 Wohnungen im Angebot mit einer Durchschnittsmiete von 260 Euro. Das heißt, wir liegen mit dem Wohnraum, den wir anbieten, gut im Kurs. Unsere Herausforderung für die Zukunft wird es sein, dieses Verhältnis zum Beispiel durch Neubauten beizubehalten.
Günstige Mieten sind das Eine, aber wie kommen denn die Kölner Studierenden in ihrem Studienalltag klar? Welche Unterstützung nehmen sie dabei in Anspruch?
Schmitz: Das Kölner Studierendenwerk ist besonders als Beratungsinstanz sehr gefragt. So geben 66 % der Studierenden in Köln einen erhöhten Beratungsbedarf an, und wir sind sehr froh, dass wir schon vor vielen Jahren eine eigene Beratungsstelle etabliert haben. Diese haben wir im letzten Jahr im Bereich Sozialberatung weiter ausgebaut, da immer häufiger sehr individuelle Beratung in finanziellen Notlagen gewünscht wurde.
Was würden Sie den Studierenden noch empfehlen, wenn sie Geld sparen möchten?
Schmitz: Einfach noch häufiger in die Mensen gehen, denn bei uns können sie gesund essen, und das zu einem unschlagbar günstigen Preis. Preis-Leistungs-Verhältnis und Qualität unserer Mensen wurden als sehr gut bewertet. Darüber hinaus sparen die Studierenden auch noch die Zeit für Kochen, Spülen und Abtrocknen.
Die Sozialerhebung zeigt auch, dass 31 % der Kölner Studierenden, die ihr Studium unterbrechen, als Grund Zweifel am Sinn des Studiums angeben. Bundesweit sind es übrigens nur 23 %. Überrascht Sie das?
Schmitz: Nein, das überrascht mich nicht. Die Herausforderungen sind in Köln schon erheblich. Wenn Studierende kein Zimmer finden, pendeln sie zum Beispiel von Winterberg bis Köln. Als Pendler*in den Studienalltag zu bewältigen, ist sehr schwierig und zeitintensiv. Das schafft nicht jede*r. Das kann ein Grund sein, aber sicherlich gibt es noch zahlreiche andere. Wichtig zu wissen ist: Wenn es Zweifel und Sorgen im Studium gibt, sind wir da.
Wir begleiten die Studierenden gerne in solchen schwierigen Phasen, hauptsächlich um zu sortieren: Worum geht es mir persönlich, wo möchte ich hin, wie kann ich meine Ziele erreichen? Falls es auf einen Studienabbruch hinausläuft, versuchen wir gemeinsam Anschlussperspektiven zu entwickeln. Denn bei uns gibt es kein Schema F, das wir aus der Schublade ziehen und Studierenden überstülpen. Wir können begleiten und wir können Netzwerke knüpfen. Mein Rat aus meiner Studienzeit: egal, was kommt, immer offen bleiben für Perspektivwechsel.
Jörg J. Schmitz leitet seit Januar 2014 die Geschäfte des Kölner Studierendenwerks. Der Meinungsaustausch mit den Studierenden ist ihm wichtig und fließt direkt in seine Arbeit ein, denn zu dem neunköpfigen Verwaltungsrat gehören auch vier Studierende.