Interview Studienfinanzierung
BAföG – einfacher ans Geld
Treffpunkt: Konzertsaal der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Hier sprachen Adrian Oberländer und Hildegard Ollesch-Jaletzky über die Schwierigkeiten des Studiums mit Kind, Pendeln zwischen zwei Hochschulen, parallelen Jobs und schwankenden BAföG-Sätzen.
Fragen und Text: Cornelia Gerecke | Fotos: Thilo Schmülgen
Abteilungsleiterin Hildegard Ollesch-Jaletzky war sehr gespannt, wie ihr Interviewpartner Adrian Oberländer seinen Studienalltag bestreitet. Insbesondere, weil er an zwei Hochschulen studiert, zeitweise mehreren Jobs gleichzeitig nachgeht und seine Tochter versorgt und betreut. Ganz nebenbei erhielt Adrian Oberländer während des Gesprächs eine kleine BAföG-Beratung.
Wie finanzieren die Kölner Studierenden ihren Lebensunterhalt?
Ollesch-Jaletzky: Laut 21. Sozialerhebung werden 86 % von den Eltern unterstützt, 73 % gehen neben dem Studium arbeiten und 27 % geben als Finanzierungsquelle das BAföG an. Leider gehen die BAföG-Antragszahlen seit 2014 deutlich zurück, obwohl wir 2016 schon eine Novelle hatten. Im Vergleich zum Vorjahr sind sie noch einmal um 8,5 % gesunken.
Und wie sind Sie finanziell über die Runden gekommen?
Oberländer: Das hat bei mir während der Studienzeit total geschwankt. Im Bachelor habe ich nicht den vollen BAföG-Satz bekommen und mein Vater hat gezahlt, was er zahlen musste. Und dadurch, dass meine Mutter die Arbeitsstelle wechselte, haben sich die BAföG-Sätze geändert und ich musste ein paar Monate bangen. Auf jeden Fall hat es nie gereicht. Jetzt erst mit dem Einstieg in das 30. Lebensjahr und mit dem Start ins Masterstudium bekomme ich zum ersten Mal den vollen Satz – elternunabhängiges BAföG. Also, das nimmt mir wirklich eine große Last von den Schultern, dass ich nicht immer wieder neu rechnen muss. Ich habe ja auch noch eine fünfjährige Tochter, für die ich mir mehr Planbarkeit im Alltag wünsche. Zum Glück bekomme ich noch den Kinderbetreuungszuschlag.
Ollesch-Jaletzky: Und der Kinderbetreuungszuschlag erhöht sich durch die 26. Novelle auf 140 Euro. Aber unter dem Strich heißt das, der BAföG-Satz, der bisher galt, war im Grunde zu gering.
Sind Sie einer von den 73 %, die nebenbei arbeiten gehen, um ihren gesamten Lebensunterhalt bestreiten zu können?
Oberländer: Eigentlich habe ich immer locker den Mindestbetrag von damals 400 Euro, den man als Studierender ohne BAföG-Abzug dazu verdienen darf, monatlich selbst erwirtschaftet. Das waren meistens selbstständige Musikjobs oder Sportaktivitäten in der Nachmittagsbetreuung der Schule. Das ging dann rauf bis zu einer Phase, wo ich vier Jobs hatte. Das war zu stressig und ich habe mir etwas Kontinuierliches gesucht.
Ollesch-Jaletzky: Seit 2016 dürfen Sie ja 450 Euro pro Monat im Durchschnitt dazuverdienen. Da Sie Vater sind, dürften Sie sogar 610 Euro monatlich dazuverdienen. Aber ich denke, wenn man so viel studiert, ein Kind versorgt und noch zwischen zwei Hochschulstandorten hin- und herpendeln muss, kann man nicht noch mehr arbeiten. Ich habe wirklich Respekt vor Ihrer Leistung.
Wie zufrieden waren Sie mit uns als BAföG-Amt?
Oberländer: Eine sehr engagierte Sachbearbeiterin ist für mich zuständig, die mich gut berät und wirklich unterstützt.
Ich habe den Eindruck, dass von Seiten des Kölner Studierendenwerks alles getan wird, um zu helfen.
Ollesch-Jaletzky: Das höre ich natürlich sehr gern. Durch meine Vorträge in den Hochschulen sehe ich, dass es oft Berührungsängste gibt, dass so ein Amt als etwas Kritisches und Distanziertes wahrgenommen wird. Es freut mich, dass Sie mitbekommen haben, dass unsere Mitarbeiter*innen wirklich für Sie und Ihr ganz individuelles Anliegen da sind und helfen möchten.
In Köln liegen die Einnahmen der Studierenden mit 995 Euro pro Monat 40 Euro über dem Bundesdurchschnitt, denn hier gehen viel mehr Studierende jobben.
Wofür geben Sie bzw. Ihre Kommiliton*innen ihr Geld aus?
Oberländer: Für die Miete, die musste erst einmal gedeckt werden. Das war für mich das Wichtigste. Inzwischen wohne ich für sehr günstige 250 Euro inklusive Nebenkosten im Wohnheim des Werks am Sudermanplatz.
Ollesch-Jaletzky: Da haben Sie gleich doppeltes Glück, denn im Durchschnitt hat ein Studierender in Köln einen Mietpreis von 366 Euro aufzubringen – wieder 40 Euro über dem deutschen Durchschnitt – und darüber hinaus erhöht sich der BAföG-Wohnzuschlag durch die neue Novelle um 75 Euro.
Allerdings sollten bei den hohen Ausgaben eigentlich mehr Studierende einen BAföG-Antrag stellen. Nur 33 % stellen einen Antrag und 18 % davon erhalten BAföG. Die meisten, die BAföG-Leistungen nicht beantragen, meinen, das Einkommen ihrer Eltern wäre zu hoch, und jeder Sechste beantragt kein BAföG, weil er keine Schulden machen möchte.
Herr Oberländer, haben Sie schon einmal mitbekommen, warum Kommiliton*innen keinen BAföG-Antrag stellen?
Oberländer: Da kann ich Ihnen direkt ein Beispiel nennen. Einer Mitbewohnerin habe ich geraten, BAföG zu beantragen. Ich bin mit ihr den Antrag durchgegangen und habe ihr ein bisschen geholfen. Beim Anblick der Formblätter ist sie schon ein bisschen zurückgeschreckt, weil sie schon ahnte, dass sie nichts bekommen wird. Alle anderen in unserer WG sind BAföG-Bezieher*innen, die keine Rundfunkgebühr zahlen brauchen. Die muss sie nun „ungerechterweise“ alleine zahlen. Ich kenne viele Studierende, deren Eltern zu viel verdienen, als dass die Kinder nur einen Cent BAföG bekommen. Das Einkommen ist aber immer noch zu gering, um ihren Kindern Unterhalt zu zahlen. Sie zum Beispiel kann es ihren Eltern nicht abverlangen, deshalb muss sie komplett alles selber reinarbeiten und erhält kein BAföG, hat aber auch keinen Antrag gestellt. Jetzt habe ich gesagt, stell den Antrag, selbst wenn du nur die Rundfunkgebühr davon zahlen kannst. Ich glaube, sie hat ihn immer noch nicht abgegeben.
Ollesch-Jaletzky: Was hätten Sie denn ohne BAföG gemacht?
Oberländer: Ganz ehrlich, ohne BAföG wäre das Studium wahrscheinlich gar nicht möglich gewesen. Viele Kommiliton*innen, die in einer ähnlichen Situation sind wie ich, sagen, dass sie vom BAföG quasi abhängig sind und es einfach brauchen.
Ollesch-Jaletzky: Warum haben Sie sich nicht von den Formblättern des BAföG-Antrags abschrecken lassen?
Oberländer: Weil meine Mutter mir das eingebläut hat, dass ich das machen soll.
Ollesch-Jaletzky: Super.
Oberländer: Ja, sie hat es auch selber so gemacht, ist hier zum BAföG-Amt gegangen, hat damals studiert und BAföG bekommen.
Ollesch-Jaletzky: Was glauben Sie, wie die meisten vom BAföG erfahren?
Oberländer: Wahrscheinlich durch Kommiliton*innen – weniger durch fette Plakate überall – einfach Mundpropaganda.
Ollesch-Jaletzky: Hätten Sie Vorschläge, wie wir das BAföG bekannter – also populärer – machen könnten?
Oberländer: Die BAföG-Plakate, die ich vom Werk kenne, hängen meistens in den Mensen oder irgendwo an der Uni. Da kommt nicht jede*r vorbei. Soziale Netzwerke wie Instagram sind wichtig und da hingehen, wo nichtstudentisches Publikum ist. Vielleicht coole BAföG-Bezieher*innen auf den großen digitalen Werbetafeln der Stadt zeigen.
Ollesch-Jaletzky: Stimmt, auf jeden Fall muss das BAföG kontinuierlich in die Öffentlichkeit getragen werden. Deshalb haben wir im letzten Wintersemester (WS) eine „BAföG live!“-Aktion in der Mensa gestartet. In diesem WS geht das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) auf Tour und stellt in 28 Hochschulstädten die Vorteile der 26. Novelle vor.
Abschließend noch ein Termintipp: Am 17. Oktober 2019 stoppt der BAföG-Tourbus in Köln und das Tour-Team informiert gemeinsam mit den Kölner BAföG-Berater*innen in der Mensa Zülpicher Straße über die 26. Novelle.
Also, „mit BAföG – einfacher ans Geld“
Adrian Oberländer hat eine fünfjährige Tochter und kommt ins zweite Mastersemester. Er wohnt im Studierendenwohnheim am Sudermanplatz – ganz nah an der Hochschule für Musik und Tanz Köln, an der er Musik auf Lehramt für die Sekundarstufe II studiert. Als zweites Fach hat er Spanisch an der Universität zu Köln belegt.
Hildegard Ollesch-Jaletzky leitet die Abteilung Studienfinanzierung des Kölner Studierendenwerks. Das Hauptanliegen ihres Teams: möglichst viele Studierende mit BAföG zu unterstützen.