Interview Mareike Wiggers, Abteilungsleiterin Hochschulgastronomie und Jan Becker, Betriebsleiter Mensa Zülpicher Straße, Kölner Studierendenwerk
Wir leisten einen Beitrag zu ausgewogener Ernährung
Mareike Wiggers und Jan Becker sprechen im Garten der Hochschulgastronomie über das Thema Regionalität und die Firma Neuland, einen Erzeuger von Fleisch aus artgerechter Haltung.
Interview und Text: Natali Schütte | Fotos: Laura Blome
Mareike Wiggers und Jan Becker haben vieles gemeinsam: ihre Liebe für neue Gerichte, ihre Offenheit für Trends und Zukunftsthemen und das, was sie augenzwinkernd „Werksblut“ nennen.
Da Studierende von heute immer sensibler mit dem Thema Ernährung und Umweltschutz umgehen, sind in einer modernen Hochschulgastronomie die Aspekte Regionalität und Bio-Produkte an der Tagesordnung. Ob und wie man diese Ansprüche in einer Großküche erfüllen kann, verraten uns die beiden Profis im lauschigen Garten, der zum Büro-Gebäude gehört und in dem sogar von einem Service Learning Projekt der Universität zu Köln Gemüse und Kräuter angepflanzt und mit Stolz geerntet werden.
Das Thema Ernährung hat gesellschaftlich in den letzten Jahren – und besonders während der Pandemie – einen immer höheren Stellenwert eingenommen. Es gilt: „Ich bin, was ich esse!“ Kann man den vielfältigen Ansprüchen von fast 12.000 Studierenden tagtäglich gerecht werden?
Wiggers: Wir hoffen, das tun wir bereits! Sicherlich gehen die Meinungen in diesem Thema auseinander. Unsere Gäste sind eine sehr heterogene Gruppe, die unterschiedliche Erwartungen an ihre tägliche Lebensmittelaufnahme stellt. Wir führen jährlich an allen gastronomischen Standorten eine Kundenzufriedenheitsbefragung durch und können da gewisse Wünsche und Präferenzen ableiten.
Becker: Gerade hier, in der großen Mensa Zülpicher Straße, versuchen wir jeden Tag aufs Neue, diesen vielfältigen Ansprüchen gerecht zu werden. Wir bekommen oft Lob von unseren Gästen, aber natürlich auch Kritik. Und die nehmen wir – nach Möglichkeit – in unsere Planung mit auf.
Wir befinden uns in Zeiten des Wandels hin zu mehr Klimabewusstsein. Unsere angehenden Akademiker*innen schauen diesbezüglich besonders sensibel auf den Speiseplan. Was erwarten unsere Studis von einer umweltfreundlichen Mensa?
Becker: Unsere Befragungen und die Rückmeldungen, die wir regelmäßig erhalten, zeigen: Gemeinschaftsverpflegung in dieser Größenordnung in Verbindung mit einer umweltfreundlichen Mensa bedeutet für uns oft einen Spagat. Wir haben viele Ideen und versuchen, diese umzusetzen. Viele kleine Schritte machen sich in der Summe bemerkbar! So wollen wir zum Beispiel immer öfter auf Regionalität setzen.
Wiggers: Viele Studierende stellen sich das vegane Essen als umweltfreundlich vor und wünschen sich einen fleischfreien Speiseplan. Auch die Abfallwirtschaft interessiert die Gäste zunehmend. Die von Herrn Becker angesprochene Regionalität möchten wir ausbauen. Das fällt uns in der Beschaffung und der Mengenabnahme jedoch aktuell noch schwer.
Die Erwartungen an Sie gehen also auch in Richtung „Kurze Wege – frische Lebensmittel“. Können Sie das als eine der größten Hochschulgastronomien Deutschlands überhaupt leisten?
Wiggers: Oftmals ist es keine Frage des Preises, sondern eher der Menge.
Zum Beispiel bei Molkereiprodukten. Da sind wir aktuell auf der Suche nach einem regionalen Landwirt, der uns unter anderem mit Milch versorgen kann.
Becker: Vor allem die Verpackungseinheiten regionaler Anbieter sind oftmals zu klein für den täglichen Bedarf mehrerer Großküchen. Das erhöht nicht nur den Arbeitsaufwand, sondern auch den anfallenden Abfall.
Der Verzehr von Fleisch wird von umweltbewussten Konsument*innen kritisch beäugt. Merkt man das Ihren Speiseplänen an?
Becker: Ja, das merkt man unseren Speiseplänen definitiv an. Ich war lange Zeit Mitglied in unserer Rezepturgruppe. Für jedes Semester stellen wir einen neuen sechswöchigen Standardspeiseplan zusammen. Außerhalb von Aktionen bieten wir lediglich ein Gericht pro Tag mit einer tierischen Komponente an. Damit reagieren wir auch auf die Nachfrage der Studierenden.
Wiggers: Und außerdem gibt es einmal im Monat an unserem „veganen Vreitag“ keinerlei tierische Lebensmittel in den Mensen. Die Akzeptanz ist vorhanden und wächst zunehmend.
Das ist ja schon ein signifikanter Wandel! Wie sieht der Weg der Zukunft bei der regionalen Fleischproduktion aus?
Wiggers: 2022 haben wir den Versuch gestartet, mit dem Verein Neuland zusammenzuarbeiten. Es hat sich zum Glück herausgestellt, dass Abnahmemengen und Beschaffung kein Problem darstellen. Fast alle Schweine- und Rindfleischgerichte enthalten das Fleisch von Neuland.
Becker: Der Weg der Zukunft ebnet sich bei uns langsam zu regionalen Fleischproduzenten. Hier gibt es einen täglichen Spagat zwischen Preisgefüge und Angebot. Das gilt grundsätzlich ebenso für unsere Gäste, die Studierenden. Die finanziellen Möglichkeiten sind leider oftmals stark begrenzt.
Was macht den Verein Neuland so besonders?
Wiggers: Neuland gefällt uns besonders gut, denn er ist seit 1988 Pionier der artgerechten Nutztierhaltung und kommt aus NRW. Die gute Tierhaltung zeichnet sich unter anderem durch Auslauf, Tageslicht und mindestens doppelt so viel Platz für die Tiere aus, wie gesetzlich vorgeschrieben. Es gibt auch eine Bestandsobergrenze für die Betriebsgröße. Das Futter wird von den Bauern selbst angebaut, wodurch ein natürlicher Kreislauf entsteht. Tierschutzwidrige Eingriffe werden nicht durchgeführt. In den fertigen Produkten von Neuland sind keine Phosphate, Emulgatoren oder Geschmacksverstärker enthalten. Durch die eigene Zerlegung und Verarbeitung stellen die Fachkräfte eine handwerkliche Produktion sicher.
Becker: Das merken wir besonders in der Produktion! Die Qualität ist wirklich gut. Der Wasserverlust bei der Zubereitung zum Beispiel ist bedeutend geringer als bei ähnlichen Produkten. Auch von Gästen bekommen wir eine gute Resonanz zur Qualität!
Mal in die Glaskugel geschaut: Wie könnte das Mensa-Essen in 5 Jahren aussehen? Kauen unsere Studierenden dann auf Insekten herum?
Becker: Warum nicht? Auch 2028 werden wir die Studierenden trendorientiert verpflegen. Ich kann mir vorstellen, dass die Auswahl des Fleisches weiterhin stark preisgebunden bleibt und für viele ein Luxusgut wird. Alternativ werden wir vielleicht Insekten essen.
Wiggers: Ich kann mich Herrn Becker nur anschließen. Sicherlich wird es auf dem Lebensmittelmarkt eher angespannter zugehen und nicht mehr alles endlos verfügbar sein. Ich stelle mir mehr grüne Gebäude vor, in denen wir energetisch auch besser haushalten können. Außerdem eine Art Markthalle, die vielfältiges und – soweit möglich – regionales Essen bietet.
Was können Studierende von einer modernen Mensa lernen und eventuell in ihr späteres Leben mitnehmen? Fühlen Sie da eine Verantwortung?
Becker: Ich möchte gerne wieder Kochkurse anbieten, in denen wir gesunde Rezepte für bestimmte Zielgruppen ausprobieren. Ich denke, dass wir in gewisser Weise Verantwortung tragen und die Studierenden anregen sollten, sich ausgewogen zu ernähren. Aufklärungsarbeit sehe ich allerdings bei uns nicht.
Wiggers: Die Verantwortung übernimmt letztlich jeder Gast täglich in seiner Essensauswahl für sich selbst. Ich hoffe und wünsche mir für die moderne Mensa, dass wir einen gewissen Beitrag dazu leisten, dass sich unsere Gäste ausgewogen ernähren können.
Herzlichen Dank für das sehr interessante Interview!
Mareike Wiggers ist seit Dezember 2020 Abteilungsleiterin der Hochschulgastronomie des Kölner Studierendenwerks. Als diplomierte Lebensmitteltechnologin fand Sie Ihre Leidenschaft für die Gastronomie bereits während Ihres Studiums in Berlin. Schon damals ging Mareike Wiggers fast täglich in die Mensa. Heute leitet sie die Hochschulgastronomie mit Begeisterung.
Jan Becker ist seit 2019 als Betriebsleiter in der Mensa Zülpicher Straße tätig. Er ist schon seit über zwei Jahrzehnten leidenschaftlicher Gastronom. Seine weitreichenden Erfahrungen sammelte er in der Hotellerie, im Catering, in der Sterneküche und bei der Leitung von Kochkursen. Schließlich führte ihn sein Weg in die Gemeinschaftsverpflegung vom Werk.