Interview Jörg J. Schmitz, Geschäftsführer
Nachhaltig messen
Jörg J. Schmitz erläutert vor der Ladestation des E-PKW an der Mensa Zülpicher Straße die Bedeutung des CO2-Berichts.
Interview und Text: Klaus Wilsberg | Fotos: Laura Blome
Nachhaltigkeit ist eines der TOP-Themen unserer Zeit. Dabei wird die Messbarkeit von Maßnahmen immer wichtiger, denn ohne eine klare Messung und Dokumentation der Ergebnisse kann der Erfolg von Maßnahmen oft nur geschätzt oder im schlechtesten Fall nur behauptet werden.
Herr Schmitz, das Werk hat für 2021 eine CO2-Bilanz vorgelegt. Da steckt vermutlich mehr hinter als diese praktische Ladestation?
Schmitz: Richtig. Das Werk geht in Sachen Nachhaltigkeit weiter voran und hat für das Jahr 2021 seine CO2-Bilanz vorgelegt. Im englischen Sprachraum kennt man das als „Carbon Footprint“. Letztlich geht es um die Messung von Treibhausgasemissionen, für die das Werk direkt oder indirekt verantwortlich ist.
Was für ein Ziel verfolgt das Werk damit?
Schmitz: Wenn man sich die Handlungsfelder des Studierendenwerks anschaut, wird deutlich, dass wir in vielen Bereichen Umwelt “verbrauchen”. Wir nutzen Ressourcen, bspw. Energie, und stoßen dabei klimaschädliche Emissionen aus. Das müssen wir ändern. Und deshalb haben wir uns gemeinsam mit den Studierendenwerken in NRW verpflichtet, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu werden.
Welche Bedeutung hat hierfür der CO2-Bericht?
Schmitz: Ziel dieser Datenerhebung ist zunächst die Berechnung sämtlicher Treibhausgasemissionen für den CO₂- Fußabdruck. Grundprinzipien der Erhebung sind Relevanz, Vollständigkeit, Konsistenz, Transparenz und Genauigkeit. Das Kölner Studierendenwerk hat für diese Erhebung das Zertifikat für kennzahlengestützten Klimaschutz seines Partners Green Vision Solutions erhalten. Aus den Zahlen leiten wir Handlungsfelder und konkrete Maßnahmen ab, um die Emissionen zu reduzieren. Somit werden unsere Maßnahmen in der ökologischen Dimension der Nachhaltigkeit deutlich zielgerichteter und ergebnisorientierter.
Können Sie uns näher erläutern, welche Bedeutung der Begriff Konsistenz in diesem Zusammenhang besitzt?
Schmitz: Am Ende geht es um die Verbesserung unserer Emissionswerte. Das funktioniert natürlich nur, wenn wir einheitliche Methoden wählen, die einen Vergleich im Verlauf der Zeit gewährleisten, die also konsistent sind. Jede Änderung der Daten und Methoden und anderer relevanter Faktoren sind zu dokumentieren. Mit dem Bericht für 2021 haben wir bereits eine sehr gute Datengrundlage. Wichtig ist aber der Vergleich über viele Jahre – eben mit gleichen Methodiken. Daher ist die nächste Datenerhebung bereits in Vorbereitung und soll regelmäßig erfolgen.
Wie müssen wir uns die Berechnung vorstellen? Was wird durch Green Vision Solutions erfasst?
Schmitz: Bei der Berechnung werden sämtliche Treibhausgasemissionen in allen Arbeitsbereichen des Studierendenwerks berücksichtigt, die den CO₂-Fußabdruck beeinflussen. Als Beispiel kann ich die direkt im Unternehmen verbrauchten Primärenergieträger nennen. Die Berechnung muss jedoch umfassend sein. Ich habe das Prinzip der Vollständigkeit bereits erwähnt. Klar ist, dass wir ein besonderes Augenmerk auf Hochschulgastronomie und Studentisches Wohnen haben.
Ich möchte noch ein bisschen ins Detail gehen, damit die Leser*innen sehen, wie komplex und differenziert die Datenerhebung ist: Green Vision Solutions unterscheidet zunächst direkte und indirekte Treibhausgas-Emissionen. Direkte Emissionen sind Emissionen aus Quellen, die wir selbst direkt beeinflussen. Indirekte Emissionen stellen Emissionen dar, die durch den Bezug von Energie entstehen. Die Emissionen für die Energieerzeugung fallen zwar nicht bei uns an, jedoch wird eine indirekte Verantwortlichkeit angenommen.
Zu den direkten und indirekten Emissionen kommen als Drittes noch die sonstigen vor- und nachgelagerten Emissionen. In diese Kategorie fallen alle Emissionen, die auf der Wertschöpfungs- und Lieferkette des zu bilanzierenden Unternehmens anfallen.
Können Sie uns näher beschreiben und auch Zahlen nennen, wie sich die Emissionen in diesen Bereichen verteilen?
Schmitz: Die Gesamtemissionen des Kölner Studierendenwerks für das Jahr 2021 belaufen sich auf 13.122 Tonnen CO2. Etwa 20% betreffen direkte und indirekte Emissionen, sind also gut durch uns beeinflussbar. Der größte Anteil entfällt dort auf die Energieversorgung. Etwa 80% der Gesamtemissionen entfallen auf die sonstigen Emissionen. Diese werden zum Beispiel durch eingekaufte Waren und Dienstleistungen erzeugt. Zukünftig werden wir die Berechnung unserer Lieferkettenemissionen verfeinern, indem wir neu verfügbare Daten unserer Lieferanten nutzen und unseren Einkauf mit Blick auf Emissionswerte anpassen.
Das Werk hat also jetzt eine gute Datengrundlage. Wenn ich es richtig verstehe, dann zeigen sich Effekte aber erst bei den folgenden Erhebungen. Warten wir einfach erstmal ab?
Schmitz: Nein, natürlich nicht. Wir müssen jetzt schon handeln, um unsere Ziele zu erreichen. Warten wäre hier sicherlich das falsche Signal. Das Werk hat bereits konkrete Maßnahmen umgesetzt, bspw. die 100%ige Nutzung von grünem Strom in Betrieben und Wohnheimen seit dem 1. Januar 2022. Ein weiteres Beispiel: Aus dem CO2-Bericht wissen wir, dass Emissionen durch Kühlmittelleckagen in der Gastronomie entstehen. An diesem Thema sind wir dran. Wir arbeiten weiter an ganz konkreten Maßnahmen und erhoffen uns für die kommenden Berichte eine deutliche Verbesserung unserer Ergebnisse.
Jörg J. Schmitz ist seit Januar 2014 Geschäftsführer des Kölner Studierendenwerks und darüber hinaus seit 2021 Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Studierendenwerke NRW (ARGE).