Interview Nina Lange, Sachbearbeiterin Einkauf, und Joachim Gerigk, Bereichsleiter Hochschulgastronomie beim Kölner Studierendenwerk
Nachhaltiges Handeln durch klare Beschaffungsordnung und optimierte Lieferstopps
Nina Lange und Joachim Gerigk unterhielten sich bei einer Tour mit den Werks-Fahrrädern über Einkaufsricht- und -leitlinien sowie über das Minimieren von Lieferstopps.
Interview, Text und Fotos: Laura Blome
Mit einer klaren Zielsetzung in seiner Beschaffungsordnung hat das Kölner Studierendenwerk eine neue Ära des nachhaltigen Handelns eingeläutet. Von wirtschaftlichen Aspekten bis hin zu sozialen und ökologischen Grundsätzen. Das Werk hat nun eine solide Grundlage, um nachhaltige Beschaffungen zu erklären und transparente Entscheidungen zu treffen.
Anfang 2022 haben der Einkauf und die Geschäftsführung des Werks eine neue Beschaffungsordnung zu den Einkaufsricht- und -leitlinien festgelegt. Welche Faktoren haben bei der Entwicklung dieser Leitlinien eine Rolle gespielt?
Lange: Wir haben großen Wert daraufgelegt, die Beschaffungsordnung klar und eindeutig zu formulieren. Dabei wurden nicht nur wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt, sondern auch soziale und ökologische Grundsätze mit einbezogen. Diese genaue Definition des wirtschaftlichen Handelns hat dazu geführt, dass jede*r Entscheider*in im Kölner Studierendenwerk nun eine solide Grundlage hat, um nachhaltige Beschaffungen zu erklären und transparente Entscheidungen zu treffen. Uns ist es wichtig, in diesem Bereich Klarheit zu schaffen und ein Bewusstsein für nachhaltiges Handeln zu fördern.
Gerigk: Dank des kölschManagements können wir auch einkaufsstrategische Entscheidungen treffen und gleichzeitig den Grundsatz der Sparsamkeit berücksichtigen. Dies stellt eine deutliche Verbesserung für den Einkaufsprozess im Food-Bereich dar. Wir sind froh, dass wir hier wirklich Fortschritte erzielt haben.
Welche innovativen Methoden wurden eingesetzt, um Nachhaltigkeit zu fördern?
Lange: Das Kölner Studierendenwerk hat sich 2022 der Einkaufsgemeinschaft der Studierendenwerke NRW und Osnabrück angeschlossen. Diese Kooperation fokussiert sich vor allem auf die Lebensmittelbeschaffung und ersetzt herkömmliche Ausschreibungen in den meisten Warengruppen durch eine plattformbasierte, fortlaufende Ausschreibung. Durch das innovative Plattformmarketing und die zunehmende Digitalisierung wird die Beschaffung flexibler gestaltet, unter anderem durch teilautomatisierte Preisaktualisierungen.
Gerigk: Darüber hinaus wurden Rahmenbedingungen geschaffen, die ressourcenschonend sind und in die moderne Einkaufswelt passen. Dabei wurden besonders Themen wie Müllvermeidung, Mehrwegsysteme und Regionalität berücksichtigt. Das war uns wichtig, um unsere Verantwortung gegenüber der Umwelt wahrzunehmen und zeitgemäße Lösungen zu finden.
Wie werden die neuen nachhaltigen Einkaufsricht- und -leitlinien in die bestehenden Beschaffungsprozesse integriert?
Lange: Indem wir Maßnahmen wie Lieferstopps minimieren, Bestellungen bündeln, regionale Waren und Anbieter prüfen und vorausschauend handeln. Auf diese Weise optimieren wir unsere Lieferkette, unterstützen die regionale Wirtschaft und treffen langfristig nachhaltige Entscheidungen.
Was war für Sie die größte Herausforderung, als Sie nachhaltige Einkaufsricht- und -leitlinien entwickelten, und wie haben Sie diese Herausforderung gemeistert?
Lange: Die Herausforderung bestand darin, die Nachhaltigkeitskriterien in bestehende Prozesse zu integrieren, ohne zusätzliche Bürokratie zu schaffen. Dabei wurde die Eigenverantwortlichkeit der Bedarfsentscheider*innen gefördert, um das Nachhaltigkeitsziel des Werks innerhalb ihrer Kompetenzen voranzutreiben. Der Einkauf agiert dabei als Prozessbegleiter. Durch umfangreiche konzeptionelle Arbeit konnten wir das nachhaltige Handeln in die Beschaffungsordnung integrieren.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Lieferanten aus, um nachhaltige Produkte zu beschaffen? Und welche Auswirkungen haben die neuen Leitlinien auf den Umgang mit Lieferanten?
Lange: Ein früherer Ansatz war es, Logistikdaten und Nachhaltigkeitskonzepte der Lieferanten zu dokumentieren und in die Lieferantenbewertung einzubeziehen. Derzeit liegt jedoch weniger Fokus darauf, da der Einkauf mit anderen herausfordernden Aufgaben beschäftigt ist. Die angespannte Situation der Lieferketten und die historisch hohe Preisentwicklung erfordern vor allem eine termingerechte Lieferzuverlässigkeit.
Das Kölner Studierendenwerk bezieht bereits heute größtenteils von regionalen Lieferanten und Erzeugern. Die Auswirkungen der neuen Leitlinien auf die Lieferanten bestehen darin, dass sie sorgfältiger bei der Auswahl von Produkten und Transportwegen vorgehen sollen.
Gerigk: Das Beispiel der Firma Neuland zeigt, dass eine nachhaltige Beschaffung nicht in den Hintergrund gerückt ist, sondern dass trotz der vorherrschenden Marktsituation Chancen für eine Zusammenarbeit mit nachhaltigkeitsbewussten Produzenten und Lieferanten genutzt werden können.
Wie denken Sie, wird sich die Beschaffungspraxis im Bezug zur Nachhaltigkeit in Zukunft weiterentwickeln?
Gerigk: Die Lieferanten werden ihr Programm für nachhaltige Produkte und Vermarktung weiter ausbauen. Nachhaltigkeit ist bereits heute ein zentrales und zu Recht dominierendes Thema in der Beschaffung. Dies zeigt sich auch durch das Inkrafttreten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) am 01.01.2023. Es bleibt jedoch weiterhin eine Herausforderung, Sparsamkeit und Nachhaltigkeit zu vereinen, da nachhaltiges Handeln nicht immer den günstigsten Preis bedeutet.
Ein Thema sind hierbei auch sicher die bereits angesprochenen Lieferstopps. Durch ein Ausschreibungsverfahren des Einkaufs sollen diese optimiert werden. Warum ist es wichtig, die Lieferstopps zu minimieren?
Lange: Durch die Reduzierung des Kraftverkehrs auf der Straße tragen wir dazu bei, die Umwelt zu schonen. Dies hat nicht nur positive ökologische Auswirkungen, sondern wirkt sich auch wirtschaftlich positiv aus und führt zu einer besseren Bilanz. Darüber hinaus entlasten wir die Innenstädte, da der Schwerlastverkehr weniger belastet ist.
Welche Rolle spielen die Lieferanten bei den Lieferstopps?
Lange: Bei der Auswahl der Lieferanten legen wir großen Wert auf eine gut durchdachte Logistik, die den Kriterien der Nachhaltigkeit gerecht wird. Die Rolle der Lieferanten liegt in der Regel in der Bereitstellung eines vielfältigen Sortiments. Allerdings führt eine große Vielfalt an Lieferanten auch zu einer erhöhten Anzahl an Lieferstopps. Es ist häufig der Fall, dass Großhändler, die eine breite Palette an Lebensmitteln anbieten, im direkten Preisvergleich teurer sind als spezialisierte Lieferanten, die sich auf eine bestimmte Warengruppe konzentrieren.
Gerigk: Neben den Lieferanten liegt auch eine besondere Verantwortung bei den Bedarfssteller*innen, ihre Bedarfe gebündelt und vorausschauend zu melden. Um Synergien zwischen der klassischen Ausschreibung und der flexiblen freihändigen Vergabe zu nutzen, streben wir perspektivisch die Kombination beider Ansätze an. Hierbei spielen das Einkaufs-Portal und die teilautomatisierte Preispflege eine wichtige Rolle.
Wie werden die Mitarbeitenden im Einkauf und in der Hochschulgastronomie (HSG) in die Umsetzung der neuen Strategie einbezogen?
Gerigk: In der HSG werden die Mitarbeiter*innen, die den Einkaufsprozess durchführen, regelmäßig durch wiederholte Jour-fixe-Treffen von ihren Vorgesetzten über die Richtlinien informiert und somit kontinuierlich auf dem neuesten Stand gehalten.
Lange: Zusätzlich wird im Einkauf eine Prozessbeschreibung zum nachhaltigen Einkauf erstellt, die im Rahmen eines 2-wöchigen Austauschs besprochen wird. Dadurch werden relevante Themen und Punkte zum nachhaltigen Einkauf diskutiert und weiterentwickelt.
Wie haben sich die Corona-Pandemie, der Ukrainekrieg und der Fachkräftemangel auf die Lieferstopps ausgewirkt und welche Lehren haben Sie daraus gezogen?
Gerigk: In dieser schwierigen Zeit hat sich ein positiver Aspekt ergeben, der weiterhin besteht. Die Lieferanten haben ihre Fuhrparks reduziert, was zu eingeschränkten Liefermöglichkeiten führt und eine kritische Überprüfung ihrer Logistik erfordert. Dadurch optimieren sie ihre Prozesse und arbeiten effizienter. Es ist erfreulich zu sehen, wie sie gezielt Ressourcen einsetzen und Veränderungen vornehmen, um die Logistik zu verbessern.
Wie wird sich die Optimierung der Lieferstopps auf die Umwelt auswirken?
Gerigk: Durch diese Maßnahmen wird die Umwelt geschont: Weniger Ruß gelangt in die Umwelt, Staus werden reduziert und die Innenstädte entlastet. Der CO2-Fußabdruck verbessert sich und der Ozongehalt wird verringert. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, die Umweltbelastung zu minimieren und eine nachhaltigere Zukunft zu schaffen.
Nina Lange kam ursprünglich 2002 durch ihre Ausbildung als Fachfrau für Systemgastronomie ins Kölner Studierendenwerk und hat sich danach entschieden, zu bleiben. Nach ihrer Elternzeit ist sie 2017 in ihre aktuelle Funktion als Sachbearbeiterin im Einkauf gewechselt. Jetzt trägt sie die Verantwortung für die Artikel- und Preispflege über das neue Einkaufsportal, die Erstellung von Artikelneuanlagen und die Durchführung von Ausschreibungen. Zudem steht sie Kolleg*innen bei Problemen und Fragen rund um die Bestellungen zur Seite. Die Vielseitigkeit ihrer Arbeit sowie den engen Kontakt zu Lieferanten und Kolleg*innen schätzt sie sehr.
Joachim Gerigk absolvierte eine klassische Kochausbildung und arbeitete als Küchenmeister in der Hotellerie, bevor er 2007 als Küchenleiter in der Mensa Zülpicher Straße (MZS) im Kölner Studierendenwerk anfing. 2013 wurde er Betriebsleiter der MZS und 2020 Bereichsleiter für die Mensen Lindenthal, Am Sportpark Müngersdorf, Gummersbach, Kunsthochschule für Medien, Zülpicher Straße und Leverkusen-Opladen. An seiner Position schätzt er die Arbeit mit und für Menschen und die Herausforderung, Studierende jeden Tag aufs Neue zu begeistern.