Interview Dr. Gaby Jungnickel, bis April 2024 Abteilungsleiterin „Beratung, Kinder Soziale Angebote“, und ihr Nachfolger Martin Paschen

Persönliche Beratung mit Synergien

Am 19. April 2024 verabschiedete das Werk Dr. Gaby Jungnickel in die passive Altersteilzeit. Gemeinsam mit ihrem Nachfolger Martin Paschen  sprechen wir am Rande der Verabschiedung über Gott und die Welt und die Rolle der Beratung darin. 

Interview und Text: Klaus Wilsberg | Foto: Klaus Wilsberg

Herzlich willkommen in der Campus Lounge der Mensa Zülpicher Straße. Die Staffelübergabe in der Abteilungsleitung steht kurz bevor, wir freuen uns auf den Rückblick und den Dialog zwischen Menschen, die mit ihrer Kompetenz und ihrem Engagement das Studium ein Stück leichter machen.

Wie würden Sie Ihr Selbstverständnis mit Blick auf die „Soziale Infrastruktur“ beschreiben?

Jungnickel: Wir beraten in verschiedenen Feldern, die für uns zusammengehören. Insofern würde ich den etwas abstrakten Begriff der sozialen Infrastruktur für uns so übersetzen: Wir bieten umfassende persönliche Beratung. Und unsere Klient*innen nehmen in einigen Fällen verschiedene Angebote wahr, auch in Workshops und in Gruppencoachings. 2023 haben wir diese jedoch mangels entsprechender Nachfrage zugunsten der individuellen Beratung etwas reduzieren müssen.

 

Das Jahr 2023 war ja, wir haben es fast vergessen, das erste „echte“ Nach-Corona-Jahr. Sehen Sie noch Effekte dieser Zeit auf Ihre Arbeit?

Paschen: Quantitativ können wir diesen Effekt nicht belegen, da wir letztlich immer an unserer Kapazitätsgrenze gearbeitet haben. Wir hatten insofern keinen nachweisbaren Mehraufwand aufgrund von Folgewirkungen der Pandemie. Aus den Gesprächen mit Studierenden können wir allerdings ablesen, dass viele Studierende, die ihr Studium während der Pandemie begonnen haben, jetzt noch davon betroffen sind.

Jungnickel: Es gibt offenbar weniger gute Bewältigungsstrategien, da sich soziale Bindungen in dieser Zeit schwächer entwickelt haben. Die Frage ist seit der Pandemie auch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Die Betroffenheit von Studierenden wird eigentlich nicht bezweifelt.

 

Was waren denn im Jahr 2023 Schwerpunkte Ihrer Arbeit?

Jungnickel: Neben der Nachfolgefrage in der Abteilungsleitung – diese Frage haben wir ja, wie man sehen kann, geklärt – konnten wir glücklicherweise seit Mai 2022 unsere Beratungskapazitäten um eine Dreiviertelstelle erhöhen. Leider ist die Förderung dieser Stelle Ende 2023 ausgelaufen. Die Abteilung erlebt in diesen Jahren außerdem einen Generationenwechsel, der noch nicht abgeschlossen ist. Das ist herausfordernd, klappt aber gut! Leider konnten wir mit Blick auf den Krankenstand dem allgemeinen negativen Trend nicht entkommen, auch das ist vermutlich eine Folge unserer aktuellen multiplen Krisen.

„Diese Synergien zwischen den Beratungsansätzen machen unsere Arbeit so einzigartig.“
Dr. Gaby Jungnickel

Und welche Schwerpunkte gab es inhaltlich?

Paschen: Die Sozialberatung hat wieder angezogen, nachdem wir in der ersten Jahreshälfte 2023 sogar für uns werben mussten. Wir vermuten, dass unsere Sozialberatung eine „Delle“ in der Bekanntheit hatte, denn am allgemeinen Beratungsbedarf kann es nicht liegen, das zeigt auch die Sozialerhebung. Das Hemd der Studierenden ist leider enger geworden. Die Preissteigerungen werden durch Einkünfte und BAföG nicht kompensiert.

In der psychologischen Beratung merken wir die Engpässe im öffentlichen Gesundheitssystem, da viele Studis aufgrund fehlender Kapazitäten in der Psychotherapie oder anderer Versorgungsmöglichkeiten wieder zu uns zurückkommen oder direkt bei uns landen. Das ist zwar weder unsere Aufgabe noch unsere Zuständigkeit, aber es wäre ethisch auch nicht zu verantworten, die Menschen abzuweisen. Wir übernehmen damit mittelbar auch einen Teil öffentlicher Gesundheitsversorgung.

Jungnickel: Lasst uns die Lernberatung nicht vergessen. Die ist einfach ein „Renner“. Wir haben sie vor ca. 15 Jahren bewusst neben der psychologischen Beratung implementiert, um sozusagen einen Raum für “flankierende Maßnahmen” zu schaffen. 

Wir nennen sie ja auch „psycho-edukative Beratung“, weil es nicht um allgemeine Lernstrategien geht, sondern um eine individuelle Betrachtung der Studien- und Lebenssituation im Hinblick auf Zielsetzung, Motivation und persönliche Belastungsfaktoren. Diese Synergien zwischen den Beratungsansätzen machen unsere Arbeit so einzigartig.

„Die Hochschulen sind ja nicht nur Lernorte, sondern auch soziale Orte.“
Martin Paschen

Es geht aber bei der Beratungs-Infrastruktur auch um Betreuung, oder?

Paschen: Sie sprechen das Tutorenprogramm an. Eine weitere Synergie, denn hier arbeiten wir eng mit dem Bereich studentisches Wohnen zusammen. Der Fokus lag hier bislang auf den großen Wohnheimstandorten, die Standorte sollen aber erweitert werden. Mit dem Tutorenprogramm tragen wir auch dem Trend der Internationalisierung der Hochschulen Rechnung. Wenn Sie nach der sozialen Infrastruktur fragen, so haben wir den Eindruck, dass sie beim Ausbau der Hochschulaktivitäten nicht immer mitwächst. Wir halten das aber für wichtig, denn die Hochschulen sind ja nicht nur Lernorte, sondern auch soziale Orte.

Jungnickel: Betreuung bieten wir auch in unseren Kitas an. Das ist Infrastruktur im wirklich physischen Sinne, denn so ermöglichen wir Studierenden mit Kind das Studium vor Ort. Aktuell bieten wir 40 Plätze in zwei Kitas, wir hoffen, dass die Kita an der Sporthochschule bald wieder nutzbar ist. Wir würden gerne mehr Plätze anbieten, aber uns fehlen Expansionsmöglichkeiten, vor allem durch fehlende Räumlichkeiten. Es wäre schön, wenn wir campusnah Kapazitäten ausbauen könnten!

Frau Dr. Jungnickel, Herr Paschen, ich danke für das Gespräch.

Dr. Gaby Jungnickel war bis zum 30.04.2024 Abteilungsleiterin der Beratungsabteilung „BKSA“.

Martin Paschen ist neuer Abteilungsleiter.