Interview  (v. l. n. r.) Olaf Kroll, Referent der Arbeitsgemeinschaft Studierendenwerke NRW, und Jörg J. Schmitz, Geschäftsführer Kölner Studierendenwerk

Kommunikation hat unsere Gemeinschaft gestärkt

Jörg J. Schmitz   und Olaf Kroll   haben gemeinsam im Bistro Lindenthal über die Arbeit des Werks in Zeiten von Corona-Pandemie und Lockdown gesprochen.

Interview: Cornelia Gerecke | Text: Armin Himmelrath, Michael Klitzsch | Fotos: Matthias Klegraf

Das Kölner Studierendenwerk hatte sich für 2020 Projekte wie Multi-Projektmanagement und Digitalisierung vorgenommen. Doch dann brach die Corona-Pandemie aus und eine Welle neuer Herausforderungen rollte auf das Werk zu. Eine Zeit, in der Kommunikation und Kollegialität in den Fokus gerückt sind. Geschäftsführer Jörg J. Schmitz und Olaf Kroll, Referent der Arbeitsgemeinschaft Studierendenwerke NRW (ARGE), über ein Jahr mit Rettungsschirmen, Krisenstäben, Homeoffice und enormem Zusammenhalt der Studierendenwerke.

Herr Schmitz, welchen Fragen mussten Sie und das Kölner Studierendenwerk sich mit dem ersten Lockdown im März 2020 stellen?

Schmitz: Wie erhalten die Studierenden jetzt ihre Leistungen? Und wie können wir die Gesundheit unserer Mitarbeiter*innen schützen? Das war insbesondere im Bereich BAföG und Beratung, aber auch im studentischen Wohnen ein großes Thema, weil wir da routinemäßig den persönlichen Kontakt pflegen. In der Hochschulgastronomie gab es schon vor dem ersten Lockdown entsprechende Verordnungen und der Betrieb wurde heruntergefahren. Eine der ersten Fragen war daher auch: Wie lange wird das so bleiben? Damals war noch nicht abzusehen, dass wir uns über ein Jahr in diesem Zustand bewegen würden.

 

Und was hat sich bei der ARGE mit dem Beginn der Corona-Pandemie verändert, Herr Kroll?

Kroll: In erster Linie haben sich die Kommunikation und der Abstimmungsbedarf zwischen den zwölf Studierendenwerken schlagartig erhöht. Wie geht man mit der Pandemie um? Was machen wir mit der Gastronomie? Und was ist mit den Wohnungen für Studierende? Es gab Krisenstäbe mit den Hochschulen. Dazu kam ein enormer Bedarf, sich mit dem Wissenschaftsministerium und dem Landtag auszutauschen, um zu klären, inwieweit Maßnahmen ergriffen werden, um die Studierendenwerke zu unterstützen.

 

Sehr viele Entscheidungen, die auf einmal getroffen werden mussten. Welche Projekte sind Sie im Angesicht der Krise als Erstes angegangen?

Kroll: Die ARGE hat gleich zu Beginn der Pandemie in einer Stellungnahme an den Landtag darauf hingewiesen, dass auch die Studierendenwerke als Landesanstalten des öffentlichen Rechts vom NRW-Rettungsschirm gestützt werden müssen. Es drohten uns ganz erhebliche Umsatzausfälle bis hin zu betriebsbedingten Kündigungen beim Gastronomiepersonal. Dank intensiver Kommunikation zwischen Ministerium, der Arbeitsgemeinschaft und den Geschäftsführungen haben wir dann noch im April eine erste Tranche bekommen – in Höhe von über fünf Millionen Euro.

Schmitz: Das war ein frühes und wichtiges sozialpolitisches Signal. Es ging darum, betriebsbedingte Kündigungen im Bereich der Hochschulgastronomie und finanzielle Belastungen bis hin zu Liquiditätsproblemen, die durch Leerstand im Bereich Wohnen zustande kommen, zu vermeiden. Politik, Ministerium und die Studierendenwerke waren früh entschlossen, die Infrastruktur, die man ja nach der Pandemie wieder braucht, zu erhalten.

 

Auch im Bereich der Kurzarbeit haben Sie schnell einen wichtigen Durchbruch geschafft …

Schmitz: Es wurde schnell deutlich, dass die Hochschulgastronomie geschlossen werden muss und der Umsatz wegbricht. In solchen Situationen ist Kurzarbeitergeld notwendig, doch das war bisher im Tarif nicht geregelt. Wenn man bedenkt, dass sonst Tarifverhandlungen Wochen oder Monate dauern, war es schon eine herausragende Leistung der Tarifgemeinschaft der Studierendenwerke in NRW, in so kurzer Zeit den Tarifvertrag Covid-19 abzuschließen. Die Studierendenwerke haben dabei untere und mittlere Gehaltsgruppen zu 100 Prozent aufgestockt. Das war für uns alle ein richtig großer Rettungsring.

„Wir haben uns mit unseren Kapazitäten darauf fokussiert, wie wir den Studierenden in dieser Krise am besten helfen können.“
Jörg J. Schmitz

Es war ein Jahr mit vielen plötzlichen und enormen Herausforderungen für die Studierendenwerke. Wie sind Sie damit umgegangen?

Kroll: Oft galt es, sehr schnell zu reagieren, auch wenn wir natürlich den Willen hatten, strategisch in die Zukunft zu denken und zu antizipieren. Ein Beispiel war die Überbrückungshilfe für die Studierenden. Bevor es die bundesweit gab, hatten wir in NRW bereits konkrete Überlegungen mit dem Vorstand der Darlehenskasse der Studierendenwerke begonnen. Es wurde intensiv daran gearbeitet, etwas für die Studierenden auf NRW-Ebene zu realisieren. Das hat sich am Ende überholt, weil sich die Landeswissenschaftsministerien mit Frau Bundesministerin Karliczek auf eine bundesweite Überbrückungshilfe geeinigt haben. Dennoch gab es im Vorfeld in NRW viele Anregungen, viele Ideen. Das war etwas, das unsere Arbeit in diesem Jahr geprägt hat: Wie die Politik mussten wir viel auf Sicht fahren und bereit sein, schnell zu agieren.

Schmitz: Ein Schlüssel war mit Sicherheit die Kommunikation, die engmaschig und auf vielen Ebenen lief. Die Geschäftsführungen trafen sich beispielsweise zu wöchentlichen digitalen Meetings. Die haben teilweise einen halben Tag gedauert, um sich im Detail abzustimmen und nach außen mit einer Stimme aufzutreten zu können. Die Kollegialität zwischen den Studierendenwerken war dabei eine tolle Erfahrung. „Wie machst du das? Wir haben dieses oder jenes Problem, habt ihr dafür eine Lösung?“ Da hat es sich ausgezahlt, dass wir über Jahre hinweg einen engen Kontakt gehalten haben – nicht nur auf der Ebene der Geschäftsführer. Überall in den Unternehmen gibt es Abteilungs- und Bereichsleiter, die seit langem zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Die Kommunikation war in dieser Phase sehr aufwendig, aber sie hat die Gemeinschaft gestärkt, auch was kommende Herausforderungen angeht.

Kroll: Da stimme ich zu. Alleine diese Häufigkeit und die Intensität der Kommunikation untereinander, die Informationen, die bereitgestellt wurden: Ich glaube auch, dass diese Pandemieerfahrung die ARGE für die Zukunft gestärkt hat.

 

Der Universitätsbetrieb und das Lernen haben sich mit der Pandemie nahezu komplett ins Internet verlagert. Wie hat das Kölner Studierendenwerk den Wandel zum Online-Studium erlebt?

Schmitz: Die größte Umstellung war, dass unsere Wohneinheiten nun viel intensiver als Arbeitsraum genutzt und seltener verlassen werden. Das hat eine Reihe von Auswirkungen. Zum einen haben wir festgestellt, dass wir unseren Zugang zum Internet in unseren Wohneinheiten deutlich verbessern müssen: Köln gehört zu den wenigen Studierendenwerken, bei denen eine Kupferverkabelung noch der Standard ist – und nicht das Glasfaserkabel. Eine weitere Konsequenz war, wie angedeutet, dass in unseren Verpflegungsbetrieben die Nachfrage radikal eingebrochen ist. Zum Teil konnten die Studierenden die Einrichtungen wegen Betretungsverboten in den Hochschulen gar nicht mehr erreichen. Und dann haben wir Bereiche wie die persönliche Beratung, die wir komplett umstellen mussten. Dankenswerterweise waren die Kolleginnen und Kollegen sehr offen für neue digitale Formate. Wir haben Material beschafft: Videokameras, Laptops, alles, was man braucht, um digital zu arbeiten und Dienstleistungen per Videokonferenz anbieten zu können. So konnten wir die Quote der Personen, die im Homeoffice arbeiten, deutlich hochsetzen. 

 

In welchen Bereichen war die Umstellung besonders schwierig?

Schmitz: Zum Beispiel bei sehr persönlichen Angeboten wie der psychologischen Beratung. Da ist eine Zoom-Konferenz schon aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht so einfach. Ähnliches gilt im Bereich des Sozialdatenschutzes, Stichwort BAföG. Da mussten ganz neue Wege gegangen werden, zum Beispiel bei Anträgen, die sonst persönlich besprochen werden. Es war keine Selbstverständlichkeit, dass die Bezirksregierung dem Kölner Studierendenwerk erlaubt hat, telefonisch eine Beratung zu einem spezifischen Antrag zu machen. Wir hatten dafür ein relativ schnelles Genehmigungsverfahren. Das war ein Riesenschritt. Eine Zeit lang gab es keine persönliche Sprechstunde im Kölner Studierendenwerk. Die Räumlichkeiten sind einfach zu eng und das war mit dem Gesundheitsschutz für die Mitarbeitenden nicht zu vereinbaren. Daher haben wir zeitweise komplett auf die telefonische Beratung umgestellt.

„Wie die Politik mussten wir viel auf Sicht fahren und bereit sein, schnell zu agieren.“
Olaf Kroll

Was war auf Seite der Arbeitsgemeinschaft im Zuge der Pandemie besonders fordernd?

Kroll: Seit Ende März kam mit dem Beginn der Corona-Verordnungen ein Wust an Informationen auf uns zu, den es durchzuarbeiten und zu kanalisieren galt. Wir hatten seit April 2020 mehr als 170 Erlasse auf dem Tisch, Beschlüsse aus den Bund-Länder-Konferenzen und den Treffen der Ministerpräsident*innen, die wir auf Auswirkungen für die Studierendenwerke geprüft haben. Da geht viel hin und her und es gibt viele Detail-Nachfragen. Zum Beispiel, wie lange die Gastronomie geschlossen bleibt – um Rechtssicherheit zu haben. Oder ob die Studierendenwerke wie andere Landeseinrichtungen kostenlose Corona-Schnelltests beziehen können. Wir brauchten Antworten, um als Arbeitsgemeinschaft gewappnet zu sein und zu besprechen, was unsere nächsten Schritte sind.

 

Ein großes Thema für die Studierendenwerke war im vergangenen Jahr auch die Überbrückungshilfe. 

Kroll: In der Tat. Wir haben uns in der ARGE sehr darum bemüht, intern genaue Zahlen zu den Anträgen auf Überbrückungshilfe zu bekommen, zum Beispiel zu Anzahl und Status. In den Anfangsmonaten hatten wir sehr hohe Antragszahlen, über 20.000 pro Monat. Inzwischen haben sie sich auf unter 10.000 Anträge eingependelt. Man kann annehmen, dass es einen harten Kern von notleidenden Studierenden in der Pandemie gibt, der schon seit Juni 2020 mit Folgeanträgen auf diese Unterstützung angewiesen ist.

Schmitz: Dieses Monitoring der Überbrückungshilfe der ARGE war sehr hilfreich. Wir hatten in Köln zwischenzeitlich überlegt, die Mitarbeiterzahl für dieses Projekt zu reduzieren. Durch das engmaschige Informationsmanagement der Arbeitsgemeinschaft konnten wir jedoch rechtzeitig sehen, dass die Zahl der Anträge in Köln immer stärker anwuchs. Weil wir davon frühzeitig erfuhren, haben wir wieder gegengesteuert und die zuständige Mitarbeitergruppe stark aufgestockt. Das hört sich trivial an, aber wenn wir diese Überwachung der Zahlen nicht gehabt hätten und auch die Offenheit von jedem Studierendenwerk, seine Zahlen zu kommunizieren, dann wäre das so nicht möglich gewesen. 

 

Wie würden Sie rückblickend das Jahr 2020 für die Studierendenwerke beurteilen?

Kroll: Ich würde sagen, überraschenderweise war 2020 in mancherlei Hinsicht ein sehr erfolgreiches Jahr für die ARGE – trotz der Pandemie. Insbesondere, weil wir trotz erheblicher Kreditaufnahme des Landes (NRW-Rettungsschirm) zur Bewältigung der Corona-Pandemie eine dauerhafte Erhöhung des sogenannten Allgemeinen Zuschusses für die Studierendenwerke NRW um vier Millionen Euro insgesamt erreicht haben. Andere Projekte wie beispielsweise das geplante Einkaufsportal für den Bereich Gastronomie oder die Beschaffung einer CAFM-Software für den Bereich studentisches Wohnen mussten nicht abgebrochen werden, sondern konnten weitergeführt werden. Vielleicht nicht mit der Intensität wie zuvor, aber wir sehen auch bei diesen Themen jetzt erste Ergebnisse und sind auf einem sehr guten Weg.

Schmitz: Das Wichtigste ist, dass wir bislang gut durch die Krise gekommen sind. Sicherlich mussten wir dafür andere wichtige Themen wie Qualitätsmanagement und Multi-Projektmanagement zurückstellen, auch zahlreiche Digitalisierungsprojekte. Das sind Verluste in der Organisationsentwicklung. Aber wir haben uns mit unseren Ressourcen darauf fokussiert, wie wir den Studierenden in dieser Krise am besten helfen können. Und das war vollkommen richtig. Besonders die Überbrückungshilfe bindet bis heute viele Kapazitäten. Der gesamte Kulturbereich im Kölner Studierendenwerk muss dafür zurückstehen. Es ist toll zu sehen, wie viel Flexibilität und Engagement unsere Mitarbeiter*innen zeigen. Wir haben Kulturmanagerinnen, die seit Monaten Onlineanträge für die Überbrückungshilfe ausfüllen. Ich bin dankbar dafür, weiß aber auch, dass sie eigentlich für eine andere Arbeit eingestellt wurden.

Jörg J. Schmitz ist seit Januar 2014 Geschäftsführer des Kölner Studierendenwerks und seit Jahresbeginn 2021 der neue Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Studierendenwerke NRW (ARGE). Er übernahm diese Rolle von seinem Vorgänger Jörg Lüken, der sechs Jahre lang dieses Amt ausübte.

Olaf Kroll ist Referent der Arbeitsgemeinschaft Studierendenwerke NRW (ARGE). Als Jörg J. Schmitz den Posten des Sprechers der ARGE übernahm, bekam Olaf Kroll gleichzeitig einen neuen Chef.

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Leerstand Wohnheime im Landesschnitt

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ARGE-Sitzungen

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Mio. EUR
Kurzarbeitergeld (bis Ende 2020)
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Anträge NRW Überbrückungshilfe bewilligt
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Gesamtvolumen Ü-Hilfe

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